- Wirtschaft und Umwelt
- Warnstreik bei dpa
Beschäftigte der dpa legen erstmals Arbeit nieder
Ausgleich für Leermonate gefordert / Gewerkschaft wirft Arbeitgeberseite Tarifflucht vor
Rund 100 Beschäftigte der Deutschen Presseagentur (dpa) legten am Dienstag im Berliner Newsroom für eine Stunde die Arbeit nieder. Zu dem Warnstreik aufgerufen hatten die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di sowie der Deutsche Journalistenverband (DJV). Anlass sind die seit Februar laufenden Tarifverhandlungen. Die Beteiligung am Warnstreik lag den Angaben zufolge bei fast 100 Prozent.
Die Gewerkschaften fordern für die bundesweit rund 800 Beschäftigten der dpa und ihrer Tochterunternehmen jährliche Lohnerhöhungen von mindestens zwei Prozent. Minimum sei der Inflationsausgleich. Dazu kommen Fixbeträge, mit denen besonders die niedrigen Einkommen angehoben werden sollen. »Die Arbeitsbedingungen im Newsroom sind sehr unterschiedlich«, sagt die dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Berger gegenüber »nd«. Dem wolle man mit dem Abschluss Rechnung tragen.
Doch die Unternehmensseite sieht das naturgemäß anders, und die Beschäftigten sind sauer. DJV und dju kritisieren die »Hinhaltetaktik« und »inakzeptable« Angebote. »1,5 Prozent, das ist zu wenig!« oder »Mehr Arbeit für weniger Geld, das geht gar nicht!« stand auf zwei der vielen Schilder, die Beschäftigte bei der Kundgebung vor der dpa-Redaktion in Berlin-Kreuzberg hielten.
Es war der erste Warnstreik in der 70-jährigen Geschichte der dpa. Bei der größten hiesigen Nachrichtenagentur arbeiten nach Gewerkschaftsangaben noch rund 800 Menschen. In den letzten Jahren hatte es zahlreiche Ausgründungen gegeben, die aus Sicht der Gewerkschaften Tarifflucht darstellten.
Ein zentraler Streitpunkt in der Tarifrunde sind die Leermonate - also die Monate vom Auslaufen des letzten Tarifvertrages bis zum Abschluss eines neuen. Teil eines neuen Abschlusses ist in der Regel ein Festbetrag pro Monat, bis der neue Vertrag in Kraft tritt, damit die Beschäftigten für die Zeit nicht leer ausgehen. Doch die dpa hatte die Forderung nach einem Ausgleich für diese Monate dem Vernehmen nach in der fünften Verhandlungsrunde Ende Mai zurückgewiesen.
»Das Spiel auf Zeit der dpa-Geschäftsführung ist ein Affront gegen die Beschäftigten der Agentur. Etliche Leermonate ohne höhere Vergütungen sind nicht akzeptabel«, sagte DJV-Tarifexpertin Gerda Theile.
»Wir haben den Eindruck, dass sie die Verhandlungen künstlich in die Länge ziehen wollen«, sagt Berger. Aus Unternehmenssicht verständlich: Jeder Monat ohne Tarifvertrag ist ein Monat, in dem keine Lohnerhöhungen gezahlt werden müssen. Die sechste Verhandlungsrunde ist für den 3. Juli angesetzt. Den alten Vertrag hatten die Gewerkschaften zu Ende des Vorjahres gekündigt.
Kurz vor der Kundgebung veröffentlichte ver.di eine Pressemitteilung, in der die Gewerkschaft anstehende Etatkürzungen beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) scharf kritisiert. Die Kürzungen betreffen das Wortprogramm im Sender rbbKultur. Eine Million Euro weniger ab 2021, das ist der Plan. Bei einem Gesamtetat von fünf Millionen Euro macht das 20 Prozent. Die dju fordert, dass diese Kürzungen »zulasten der Mitarbeitenden und der vielen freien Autorinnen und Autoren«, die »aus heiterem Himmel« gekommen seien, zurückgenommen werden.
Auf den ersten Blick haben die beiden Fälle nichts miteinander zu tun. Doch sie sind Ausdruck des steigenden Drucks auf Medienschaffende in Zeiten fortschreitender Digitalisierung. Ein Problem sei, so dju-Geschäftsführerin Berger, dass beispielsweise Ministerien eigene Newsrooms aufbauten und so bei der Verbreitung ihrer Inhalte weniger auf klassische Medien angewiesen seien. Das ist zudem auch ein demokratisches Pro-blem: Wenn Institutionen ihre Nachrichten eigenständig produzieren und verbreiten, drohen sie die Kontrollfunktion, die Medien in einer demokratischen Gesellschaft haben, auszuhebeln.
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