K-l-i-m-a-n-o-t-s-t-a-n-d!

Solidarität mit Ende Gelände und »Fridays for Future«: Als einzige Partei im Bundestag will die LINKE für Deutschland den Klimanotstand.

  • Lorenz Gösta Beutin
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!« hallt es jeden Freitag gegen die grauen Mauern des Wirtschaftsministeriums in Berlin. Drinnen CDU-Minister Peter Altmaier, einer der größten Bremser von Energiewende und Klimaschutz. Draußen tausende Schülerinnen und Schüler von »Fridays for Future«, die überhaupt nicht einverstanden sind mit Klimakrise, Rekord-Dürren, Klimaflucht und der fahrlässigen Hände-in-den-Schoß-Politik der Großen Koalition, die sie und ihre Kindeskinder künftig auszubaden haben. Als Altmaier am Anfang der FFF-Proteste mit den Kindern den Dialog suchte, wurde der alte Wegbegleiter von Kanzlerin Merkel, der wie seine Parteifreundin selbst einmal Umweltminister war, gnadenlos ausgebuht.

Wenige Meter weiter, nur ein paar Minuten zu Fuß, im Regierungsviertel, hat die Berliner Studentenschaft ein Klima-Zeltlager vor dem Kanzlerinnenamt aufgeschlagen. Der Versuch, das Protestcamp zu verbieten, scheitert krachend vor Gericht. Die Sit-Ins, Musik und Lagerfeuerromantik, umgeben von weißen Planenzelten, erinnern an die 68er. Auch damals forderte die junge Generation einen Sinneswandel und gesellschaftliches Umsteuern. Mit großen Buchstaben wird vor dem Bundestag das Schlagwort der Stunde geformt: K-l-i-m-a-n-o-t-s-t-a-n-d! Unter den Protestierenden sind Aktivistinnen und Aktivisten vom Klimaschutz-Bündnis »Extinction Rebellion«, das vor wenigen Wochen für mehrere Stunden die Berliner Oberbaumbrücke blockierte, um auf die Klimakrise und notwendiges Handeln aufmerksam zu machen.

Alles nur Panik, oder was? Es sind dieser Tage die jungen Menschen, die sich viel über die menschengemachten Klimaveränderungen informieren. Die Fakten liegen auf dem Tisch: Noch nie in der Menschheitsgeschichte war so viel umweltzerstörendes CO2 in der Luft. Noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen waren die Temperaturen weltweit so hoch wie 2015, 2016, 2017, 2018. Auch 2019 steuert mit voller Sonne, riesigen Waldbränden und krachenden Unwettern auf ein neues Klimakrisenjahr zu. Die Erderwärmung ist bei 1 Grad angekommen, ab 1,5 Grad sagt die Klimaforschung, kann uns die Kontrolle entgleiten. Indiens Hauptstadt Delhi ächzt derweil unter einer nie dagewesener Hitze. Bei 50 Grad ist ein normales Leben nicht mehr möglich. In Ozeanien verlassen ganze Bevölkerungen ihre Inseln, der steigende Meeresspiegel frisst Heimat.

Immer mehr Betroffene ziehen vor die Gerichte, sei es ein Klimabauer aus Peru, der vom Energieriesen RWE Schadensersatz für den Bau eines Dammes fordert, der ihn und seine Familie vor Tsunami-Wellen schützt, die durch abschmelzende Gletscherstücke ausgelöst werden. Oder die Familie von der Nordsee-Insel Langeoog, die zusammen mit zehn Familien aus fünf EU-Ländern sowie Fidschi und Kenia eine Klage am Gericht der Europäischen Union eingereicht haben, weil der Klimawandel immer stärker ihren Alltag erschwert, während die Politik nichts Spürbares dagegen unternimmt.

Trotz alledem: Arbeitsloser Working Class Ossi for Future
Menschen wie Frank Schumacher werden gerne herangezogen, um mit ihren Schicksalen zu erklären, dass sich Politik und Parteien weniger ums Klima kümmern sollten. Doch er widerspricht.

Wenn die einen pennen, müssen die anderen rennen. Und so nimmt die Klimaschutzbewegung weiter an Fahrt auf. Gerade weil die herrschende Politik keinerlei Anstalten macht, tatsächlich etwas für den Schutz unser aller Lebensgrundlagen zu tun. Auch die als »Klimawahl« bezeichnete EU-Wahl, bei der die alten »Volksparteien« massiv an Rückhalt verloren haben, war kein Weckruf. Ganz im Gegenteil bunkern sich Union und SPD weiter ein: Statt wie von den Menschen auf den Straßen, an der Wahlurne und tausenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefordert, ein Viertel der dreckigsten Kohlekraftwerke abzuschalten, den Kohleausstieg bis 2030 zu schaffen, für Deutschland den Klimanotstand auszurufen und Investitionen mit öffentlichen Geldern in Kohle, Gas und Öl zu beenden, wird vom Kabinettstisch aus weiter auf die Diskreditierung der Öko-Bewegung oder Placebo-Lösungen wie CO2-Steuer und Emissionshandel gesetzt.

Für die LINKE heißt es, ihre Oppositionsrolle als Sprachrohr der ignorierten Forderungen für echten Klimaschutz weiter mit Inhalt zu füllen und in Parlament und Öffentlichkeit zu tragen. Das heißt natürlich nicht, dass wir unsere ureigene Rolle als Partei der sozialen Gerechtigkeit und Kapitalismuskritik vernachlässigen. Klimagerechtigkeit, wie die LINKE sie will, bringt soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zusammen, weil das zusammen gehört. Und während Ende Juni das Aktionsbündnis »Ende Gelände« die Massenbesetzung der Kohlegruben von RWE im Rheinland in Angriff nimmt und die Fridays-for-Future eine Riesen-Demo in Aachen auf die Beine stellen (andere Linksfraktion-Abgeordnete und ich sind wie in den Vorjahren als Parlamentarische Beobachtung vor Ort), wird die Linksfraktion in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause im Bundestag als einzige Fraktion im Hohen Haus die Anerkennung des Klimanotstandes in Deutschland fordern, wobei Klimaschutz bei politischen Entscheidungen oberste Priorität eingeräumt werden soll.

Ende Gelände: "Sicherheit hat höchste Priorität" by neues deutschland

Auch liegen LINKE-Klimaschutz-Anträge für den Bundestag für Divestment des Bundes aus fossilen Energieformen, für einen Kohleausstieg bis 2030 und das Abschalten der 20 dreckigsten Kohlekraftwerke, ein Verbot von Fracking und für ein Ende der Subventionen für klimaschädliche Flüssiggas-Infrastruktur in Deutschland vor. Ob in der Kohlegrube, beim Schulstreik oder im Parlament: Klimaschutz bleibt Handarbeit. System change, not climate change!

Lorenz Gösta Beutin ist Energie- und Klimapolitiker der Linksfraktion im Bundestag und Sprecher seiner Partei in Schleswig-Holstein.

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