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Thomas Licher wechselt den »Clan«
Streit in Neuköllner Linkspartei über den Umgang mit sogenannten arabischen Großfamilien
Thomas Licher will nicht mehr. Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN in der Bezirksverordnetenversammlung von Neukölln kündigt an, den Neuköllner Verband seiner Partei Ende des Monats zu verlassen. In einem Schreiben an die Mitglieder des Bezirksverbandes, das »nd« vorliegt, benennt er auch den Grund: »Die Solidarisierung mit arabischen Großfamilien und Verteidigen dieser vor dem Vorwurf der ›Bandenkriminalität‹ halte ich für politisch falsch und ist für Außenstehende in keiner Weise nachvollziehbar.« Zuerst hatte darüber der »Tagesspiegel« berichtet.
Wie diese Verteidigung konkret aussah, will Licher nicht sagen. In der Vergangenheit hätte es aber ein einseitiges Engagement zugunsten der migrantischen Neuköllner gegeben. »Die einseitige Schwerpunktsetzung auf die muslimische Bevölkerung von Neukölln wird dem Anspruch, als LINKE für alle sozial Benachteiligten zu streiten, nicht gerecht«, schreibt er weiter in seiner Stellungnahme. Licher nennt als Beispiel das Berliner Neutralitätsgesetz, das Lehrern das Tragen religiöser Symbole im Schulunterricht verbietet. »Ich sehe das Neutralitätsgesetz auch als Problem, aber eher als ein Nischenproblem. Der schlechte Bauzustand an Schulen betrifft viel mehr Neuköllner«, sagt Licher dem »nd«.
Mit einem Antwortschreiben hat der Bezirksvorstand nun auf Lichers Schreiben reagiert und seine Formulierung kritisiert. Durch diese würde »die Unterdrückung und soziale Benachteiligung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielt«, heißt es dort. Moritz Wittler ist Sprecher des LINKEN-Bezirksvorstands in Neukölln. Zu dem Vorwurf, man würde arabische Großfamilien gegen die Anschuldigung der Bandenkriminalität verteidigen, sagt er: »Kriminalität ist natürlich immer ein Problem, auf das es eine Antwort der Linkspartei braucht. Wir verwehren uns aber dagegen, Menschen unter Generalverdacht zu stellen.« Die pauschale Verurteilung von migrantischen Familien sei falsch, denn »Menschen mit einem bestimmten Nachnamen werden in Sippenhaft genommen, wenn von kriminellen Großfamilien gesprochen wird«.
Thomas Licher hat sein politisches Engagement 2006 in der »Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit« wegen der Agenda 2010 begonnen. Seit 2011 sitzt er für die Linkspartei in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung. Soziale Gerechtigkeit sei ihm immer noch ein zentrales Anliegen. »Das Thema Jobcenter ist aber nur noch bei einem Teil der Neuköllner LINKEN ein Schwerpunkt. Bei vielen ist es kein zentrales Thema mehr«, kritisiert Licher. Moritz Wittler kann diese Kritik nicht verstehen. Gerade erst hätte der Bezirksvorstand auf seiner Klausurtagung diskutiert, wie die Neuköllner Linkspartei bei dem Thema stärker werden könne. »Wir haben verabredet, wieder verstärkt vor dem Jobcenter präsent zu sein, um über unsere Sozialrechtsberatung zu informieren und Betroffene zu organisieren«, sagt Wittler. Zudem habe man in der Vergangenheit mehrfach das Gespräch mit Licher gesucht.
Der allerdings widerspricht dieser Darstellung. Er wünsche sich, dass die Neuköllner LINKE wieder verschiedene Positionen zulasse. Denn trotz seiner Bitte, über die politische Ausrichtung zu diskutieren, würde »die Marx21 dominierte Mehrheit im Bezirksvorstand unbeirrt an der wenig erfolgreichen Orientierung auf die Gewinnung der muslimischen EinwohnerInnen von Neukölln festhalten«, so Licher. Sein Mandat will er indes behalten und bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 für die Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung bleiben. Seine neue politische Heimat sucht er hingegen bereits ab Juli im Bezirksverband der Linkspartei in Berlin-Mitte.
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