- Sport
- Fechten
Ein erster Schritt
Mit vier EM-Medaillen verlassen die deutschen Fechter in Düsseldorf so langsam ihr Jammertal
Das Allerbeste kam ganz zum Schluss. Benedikt Wagner führte den Säbel mit seinem Zitterhändchen beim 45:43 gegen Titelverteidiger Ungarn um den Einzelolympiasieger Aron Szilagyi zum entscheidenden Treffer und zum krönenden Teamgold bei den Fechteuropameisterschaften in Düsseldorf. Mit dem EM-Titel unterstrich das Quartett mit Max Hartung, Matyas Szabo, Wagner (alle Dormagen) und Björn Hübner-Fehrer (Werbach) ihre Stellung als deutsches Vorzeigeteam.
Doch reicht das schon, um die sportliche Krise für beendet zu erklären? Verbandschefin Claudia Bokel jedenfalls wusste keine genaue Antwort auf die Frage, wie viele Prozente ihrer Vision denn mit dem Geschehen von Düsseldorf bereits erreicht seien. Die 45-jährige ehemalige Degenweltmeisterin hatte nach dem Debakel bei der WM 2018 in Wuxi ohne deutsche Medaille zurückhaltend vorgegeben, 2028 wieder auf allen Ebenen Weltspitze sein zu wollen. Ihr Sportdirektor Sven Ressel wagt jetzt immerhin die Einschätzung: »Sportlich haben wir einen kleinen Schritt nach vorn gemacht.« Bei der WM in Budapest im Juli soll ein weiterer folgen, gern auch ein größerer.
Für die EM-Mannschaftswettbewerbe trifft Ressels Einordnung zu: Gold für das Säbelteam der Männer, Überraschungssilber für die Florettabteilung, ein vierter Platz für das weibliche Florettquartett, die Ränge sechs der Degen- und Säbelfechterinnen, sowie Position sieben nach zwölf im Vorjahr für die Degen-Männer - das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
Vor allem auch deshalb, weil es so aussieht, als ob es für Olympia 2020 in Tokio ganz gut läuft nach dem Debakel von Rio de Janeiro: Für die Spiele 2016 hatte sich kein deutsches Team qualifiziert, nur die Individualisten Max Hartung und Matyas Szabo mit dem Säbel und Peter Joppich sowie Carolin Golubytskyki mit dem Florett durften in Rio auf die Planche. »Die Ausgangslage für Tokio ist deutlich besser, als sie es für Rio war«, sagt Bokel. Die Männer mit dem Säbel und die Florettfechterinnen holten in Düsseldorf wichtige Qualifikationspunkte. Sollten es beide ins olympische Turnier von Tokio schaffen, wären automatisch jeweils drei Fechter auch im Einzel dabei.
Die Probleme sind aber keineswegs komplett gelöst. In den Team-Events war viel von dem Spirit zu erkennen, immer mehr Treffer als der Gegner setzen zu wollen. Das pushte alle. In den Einzeln sah es weniger gut aus: Der Dormagener Hartung wurde als Europameister von 2017 und 2018 entthront, holte aber wie die Leverkusenerin Alexandra Ndolo mit dem Degen Bronze.
Der große Rest der 24 Starter hat im Einzel die eine oder andere Reserve nicht abgerufen. Mit dem Florett war der viermalige Einzelweltmeister Joppich als 19. noch bester Deutscher, mit dem Degen war es der Heidenheimer Stephan Rein als 25. und bei den Säbelfechterinnen die Dormagenerin Anna Limbach als 19.
Wohl auch deshalb wagte sich Claudia Bokel nicht an eine konkrete prozentuale Aussage zu ihrer Vision. Sie betonte stattdessen: »Wir haben noch so viele Ideen, die wir umsetzen wollen - sportlich, strukturell und finanziell.« Denn spätestens bei Olympia 2028 soll es für die zuletzt enteilte Konkurrenz wieder heißen: En garde - das deutsche Fechten ist wieder da. dpa/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!