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Kampf um ein Stück Kiezkultur
Unterstützer wehren sich gegen die Räumung des Oranienspäti in Kreuzberg
Der Oranienspäti in Berlin-Kreuzberg ist mehr als nur irgendein Spätkauf: Seit 20 Jahren treffen sich hier Nachbar*innen und Bekannte, um sich auf den Bierbänken vor dem Laden auszutauschen und zu vernetzen. In wenigen Wochen könnte damit endgültig Schluss sein: Mitte Juni hat die Betreiberin des Oranienspätis, Zekiye Tunc, Post erhalten, in der der Gerichtsvollzieher eine Zwangsräumung »in circa vier Wochen« ankündigt.
Dass mit dem Kiosk ein weiteres Stück Kiezkultur verschwinden soll, wollen sich die Nachbar*innen jedoch nicht so einfach gefallen lassen. »Der Kiez ist bereit«, heißt es in einer Mitteilung, in der solidarische Gewerbetreibende aus der Straße, Anwohner*innen, Kund*innen und ein breites Unterstützungsnetzwerk aus Initiativen ihren Protest ankündigen. Für den heutigen Donnerstag um 18 Uhr rufen die Initiativen »Bizim Kiez«, »OraNostra« und »Kotti & Co« daher zu einer Kundgebung vor dem Spätkauf in der Oranienstraße 35 auf, um sich für den Verbleib des geschichtsträchtigen Kieztreffs einzusetzen.
»Die Verdrängung vor allem der türkischen Gewerbetreibenden trifft Kreuzberg ins Mark«, so Konstantin Sergiou von der Initiative »Bizim Kiez«. »Sie, die Hausbesetzer*innen und Künstler*innen, haben diesen Bezirk trotz seiner einstigen Armut und Verwahrlosung vor Abriss, Ödnis und Unwirtlichkeit bewahrt. Wir werden nicht tatenlos dabei zusehen, wie sie verschwinden, damit Immobilienfirmen Rendite mit ihren Häusern machen können!«, so Sergiou weiter.
Es ist nicht der erste Versuch, die Verdrängung des Spätis zu verhindern: Bereits 2017 hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eine Resolution zum Verbleib des Ladens verabschiedet. Bundestagsabgeordnete von LINKE, Grüne und SPD hatten Briefe verfasst und über 3000 Menschen gegen die Verdrängung des Oranienspäti unterschrieben. Geholfen hat das alles nicht: »Fast zwei Jahre lang beantwortete die Eigentümerfirma, die Bauwerk Immobilien GmbH, mit Schweigen und Gesten der Einschüchterung die Gesprächsversuche seitens der Familie«, heißt es seitens »Bizim Kiez«.
Kein Einzelfall: Bereits im April musste das Kleidergeschäft »Kamil Mode« seine Räumlichkeiten am Kottbusser Damm verlassen. Hassan Raza Qadri hatte hier 17 Jahre lang Bekleidung für Frauen aus der türkischen und arabischen Community angeboten. Auch hier waren die Appelle von Bundestagsabgeordneten sowie eine Resolution der BVV wirkungslos geblieben. Die Nachbar*innen von »Ora 35« hoffen, dass der Druck von der Straße dieses Mal Wirkung zeigt.
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