Das Blatt hat sich gewendet

Rechtsrock in Themar: Harte Auflagen, weniger Besucher und mehr Gegendemonstranten

  • Sebastian Haak, Themar
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gibt zwei Menschen, die für neue Protestformen gegen den Rechtsrock in Themar stehen. Einer von ihnen hat eine Angel. Er sitzt am Samstag am Rande der Stadt auf einer Absperrung und hält das Fischfanggerät den Neonazis entgegen, die über die stillgelegte Bundesstraße zu ihrem Konzertgelände laufen. An der Schnur der Rute baumelt eine leere Dose Radler. »Du wirst dich fragen, was ich hier mache«, sagt der Mann zu einem der Rechten. Er grinst breit und erklärt: »Das ist Satire: Das letzte Bier vor Themar.« Der Gesichtsausdruck des Angesprochenen ist versteinert; stumm geht er vorbei.

Die Szene sagt viel darüber aus, wer in Themar in diesem Jahr das Heft des Handelns in der Hand hatte, als dort am Wochenende erneut die »Tage der nationalen Bewegung« stattfanden. Den dritten Sommer in Folge geht das nun schon so. Viele Sommer davor gab es solche Konzerte im nahen Hildburghausen. An diesem Wochenende dominierten aber, anders als bisher, nicht die Rechtsradikalen die Szenerie. Sondern die, die sich gegen den Hass wenden, der auf solchen Konzerten gezeigt wird. Dutzende Gegendemonstranten empfingen die Neonazis mit einem »Walk of Shame«: Wann immer die Konzertbesucher allein oder in kleinen Grüppchen zu ihrem Veranstaltungsgelände liefen, wurden sie ausgepfiffen.

All das hat viel damit zu tun, dass die Rahmenbedingungen, unter denen das Konzert stattfand, ganz anders sind als in den Vorjahren. Vor allem 2018 hatte der Staat im Kampf gegen rechts versagt. Damals hatte das Thüringer Oberverwaltungsgericht (OVG) in Weimar die Behörden - vom Landratsamt Hildburghausen bis hinauf zum Thüringer Innenministerium - noch scharf gerüffelt, weil die versucht hatten, das angemeldete Konzert komplett zu verbieten. Nicht nur, weil die Versammlungsfreiheit ein hohes, grundgesetzlich geschütztes Gut ist. Sondern weil die damaligen Bescheide der Behörden aus Sicht der Richter voller Mängel waren.

Dieses Mal hatte das OVG die zentral erlassenen Auflagen anders bewertet. Die Richter stützten wie ihre Kollegen am Verwaltungsgericht Meiningen vor allem Einschränkungen beim Alkoholverkauf und -konsum wie auch die von der Polizei geforderten Sicherheitsstreifen. Zudem haben sie zur Begründung ihrer Entscheidung einen Satz geschrieben, auf den gegen das Nazitreffen Engagierte seit langem warten: »Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob das Ziel des Antragstellers, den Alkoholkonsum während der Veranstaltung zu ermöglichen, überhaupt vom Kerngehalt der Grundrechtsgewährleistung des Artikels 8, Absatz 1 Grundgesetz umfasst wird.«

Um die Auflagen durchzusetzen, griff die Polizei in diesem Jahr tatsächlich hart durch, wenn Konzertteilnehmer dagegen verstießen oder im Verdacht standen, andere Straftaten zu begehen. Bereits am Freitag, dem ersten Konzerttag, brach die Polizei den Auftritt von zwei Bands ab, die für den gesamten Zeitraum des Treffens bis einschließlich Sonntag von der Teilnahme ausgeschlossen wurden, wie die Landespolizeidirektion mitteilte. Die Band Sturmgewehr habe einen Titel gespielt, der auf dem Index stehe, die Band Unbeliebte Jungs einen, der nicht auf der vorher eingereichten Liste gestanden habe.

Am Samstag beschlagnahmen Polizisten das auf dem Festivalgelände vorhandene Leichtbier und Radler wegen des an diesem Tag geltenden absoluten Alkoholverbots. Am Freitag hatten die Rechtsextremen noch Getränke mit geringem Alkoholgehalt ausschenken dürfen.

Der zweite Mann, der für den neuen Protest in Themar steht, ist derjenige, der Gegendemos und Aktionen maßgeblich organisiert hat: Thomas Jakob, Sprecher des Bündnisses für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra. Während der Mann mit der Dose seine satirische Ader auslebt, steht Jakob neben einer Bühne, auf der Landespolitiker ihre Unterstützung des Protests ausdrücken, und strahlt. Sowohl mit der Art der Veranstaltungen als auch mit der Zahl der Protestierenden sei er »sehr zufrieden«, sagt er. »Im Vergleich zum letzten Jahr ist das ein Quantensprung.« Allein bis zum Samstagnachmittag hätten sich etwa 700 Menschen beteiligt, davon etwa ein Drittel aus Themar selbst. Nach Polizeiangaben kamen im Verlauf des Tages insgesamt 800 Menschen zu den Protesten. 2018 hatte die Polizei die Gesamtzahl der Gegendemonstranten mit etwa 300 angegeben.

Deutlich zurückgegangen ist dagegen die Zahl der Besucher des Neonazitreffens. Am Samstag waren laut Polizei insgesamt gut 900, während sich 2018 rund 1700 auf dem Konzertgelände aufhielten. Zumindest für dieses Mal hat sich das Blatt in Themar also gewendet.

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