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Mit dem Volkswagen zur Klimademo
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop eröffnet den »We Campus« für digitale Innovationen
Fridays for Future macht keine Ferien. Am Freitag haben die jungen Berliner Klimaaktivisten ihre brandenburgischen Mitstreiter in der Stadt Oranienburg (Oberhavel) unterstützt. Los ging es um 10 Uhr mit dem Zug. Dabei könnten die Anreisenden inzwischen auch das Auto der Eltern nehmen, suggeriert der Volkswagen-Konzern seit Kurzem mit einer Plakatkampagne in der Hauptstadt. Auto fahren und gleichzeitig gegen den Klimawandel protestieren? Dass beides zusammengeht, will ausgerechnet der Autobauer glauben machen, der mit seinen Software-Manipulationen die Schadstoffbilanzen ganzer Serien seiner Fahrzeuge schöngerechnet und damit Millionen seiner Kunden betrogen hatte. Zumindest mit seinem letzte Woche in Berlin gestarteten rein elektrischen Car-Sharing-Angebot »WeShare« will das Unternehmen alles richtig machen.
Das »Wir« scheint VW wichtig zu sein, denn die Entwickler von WeShare sind nun in den »We Campus« an der Mollstraße umgezogen. Dort sollen rund 900 Experten von Volkswagen und seiner Partner an Car-Sharing und anderen digitalen Innovationen arbeiten. Innovativ soll auch die Art der Zusammenarbeit sein. In »Pizzateams« gegliedert, sollen nur so viele »Talente« zusammen arbeiten, wie von zwei Pizzas satt werden. Im Team von WeShare sind 40 Angestellte - das werden kleine Portionen.
Berlin sei, so VW-Vorstand Christian Senger, das perfekte Echtzeitlabor, um neue Mobilitätskonzepte des Konzerns auszuprobieren. »Unser Angebot wollen wir stetig erweitern, daran arbeiten wir künftig am ›We Campus‹ im Herzen Berlins.«
Bei so viel Wir-Gefühl darf natürlich auch die grüne Wirtschaftssenatorin nicht fehlen. So richtet Ramona Pop zeitgleich mit dem Start der Oranienburger Klimademonstration ihr Grußwort an die Volkswagen-Gäste bei der Campuseröffnung: »Das ist ein Ort, wo die Mobilität der Zukunft gedacht und entwickelt wird.« Solche Orte brauche die Stadt, denn »Wirtschaftswachstum in Berlin geht nur zusammen mit der Digitalwirtschaft«.
Die Besuche bei innovativen Campusstandorten gehören deshalb fast schon zum festen Bestandteil von Pops Terminkalender. Anfang der Woche konnte man sie auf einem anderen noch entstehenden Campus sagen hören, dass Berlin früher oft für seine Digitalwirtschaft »belächelt« wurde. Mittlerweile, so sagt sie am Freitag, würden Unternehmen »neidisch aus dem Süden der Republik nach Berlin schauen«. Das gelte auch für Autokonzerne. VW trage mit seiner Sharingflotte zum Mobilitätswandel in Berlin bei und schaffe zugleich Arbeitsplätze.
Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB ist, vorsichtig formuliert, weniger begeistert: »Da läuft etwas völlig falsch, wenn es E-Roller, Leihräder und Car-Sharing nur im Zentrum und nicht außerhalb des S-Bahn-Rings gibt.« Es sei »völlig absurd« und zeige, dass die Grünen »keine innovativen Ideen« haben, wenn Pop sich über Car-Sharing, das auf die Innenstadt begrenzt ist, freue.
Dem stimmt auch Tom Patzelt von Fridays for Future zu. Car-Sharing sei vor allem in den Randgebieten sinnvoll, meint er. Im S-Bahnring hingegen bräuchte es keine Autos. Das Ziel, auch von Ramona Pop, sollte deshalb »Mengenreduzierung« sein, sagt der Klimaaktivist. Zumal E-Mobilität noch lange nicht klimafreundlich ist, wenn der Strom aus Kohlekraft gewonnen wird.
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