Nix zahlen für den Bus
Die NRW-Steueroase Monheim am Rhein will kostenlosen ÖPNV anbieten
Ab dem 1. April 2020 soll jeder Einwohner von Monheim kostenlos Bus fahren können. Die Stadt will damit etwas für den Klimaschutz tun. Im Bereich Verkehr und Mobilität bleibe man seit Jahren hinter den selbst gesteckten Zielen zurück, heißt es aus dem Rathaus: »Der Anteil aller Wege, die mit dem Fahrrad oder dem Öffentlichen Nahverkehr zurückgelegt werden, stagniert seit Jahren bei zusammengerechnet etwa 20 Prozent, während der Anteil des motorisierten Verkehrs mit 55 Prozent deutlich zu hoch ausfällt.«
Um mehr Menschen zum Radfahren zu bringen, will die 44 000-Einwohner-Stadt ein eigenes Fahrradverleihsystem aufbauen. Zudem sollen die bisherigen Maßnahmen beim ÖPNV ausgebaut werden. »Zwar ist ein attraktives Linienangebot mit kurzen, auf die Fahrpläne der S-Bahn abgestimmten, Taktzeiten eine wichtige Voraussetzung dafür, dass möglichst viele Menschen den Öffentlichen Nahverkehr nutzen. Doch auch die Kosten spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle«, so Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann.
Deswegen nun die Offensive, die Busse für Monheimer kostenlos zur Verfügung zu stellen. Mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) steht die Stadt noch in Verhandlungen. 2,5 bis 3 Millionen Euro soll die Maßnahme, die zunächst auf drei Jahre angelegt ist, kosten. Anfang nächsten Jahres sollen alle Einwohner der Stadt den »Monheim-Pass« erhalten, mit einem elektronisches Ticket, das in seiner Funktion dem normalen Ticket des VRR gleicht. Anschlussfahrten über das Stadtgebiet hinaus sollen mit diesem Ticket kostenpflichtig gebucht werden können.
Auf seiner aktuellen Sitzung am Mittwoch und Donnerstag wird der Rat der Stadt dem Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit zustimmen. Im Haupt- und Finanzausschuss gab es bereits Einstimmigkeit. In Deutschland gibt es kostenlosen Nahverkehr bisher nur in den bayerischen Kommunen Viechtach und Pfaffenhofen, in weiteren Städten gibt es Tests, etwa mit Tickets, die 365 Euro für ein Jahr Nahverkehr kosten.
Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS), zu dem unter anderem Köln und Bonn gehören, hat jüngst in einer Studie errechnet, dass ein kostenloses Nahverkehrsangebot eine Steigerung der Fahrgastzahlen um etwa 30 Prozent hervorrufen würde. Allerdings stehen dem Kosten von allein 120 Millionen Euro im Jahr für den notwendigen Ausbau der Infrastruktur gegenüber. Insgesamt würden die Kosten in den Milliardenbereich gehen. Um kostenlosen Nahverkehr zu realisieren, brauche es finanzielle Zuwendungen von Bund und Land, so der Verkehrsverbund.
Dass sich Monheim den kostenlosen Nahverkehr leisten kann, liegt an der seit Jahren umstrittenen Steuerpolitik der Stadt. Daniel Zimmermann, der 2009 mit nur 27 Jahren zum Bürgermeister gewählt wurde und mit der lokalen Jugendpartei »Peto« über die absolute Mehrheit im Stadtrat verfügt, setzt auf niedrige Gewerbesteuern. Während in Nordrhein-Westfalen ein Hebesatz von über 400 Prozentpunkten üblich ist, hat man den Satz in Monheim nach und nach auf 260 Punkte gesenkt und damit sowie mit attraktivem Bauland auf einem alten Raffineriegelände zahlreiche Unternehmen angelockt. Mit Erfolg. Als Zimmermann seinen Vorgänger Thomas Dünchheim von der CDU ablöste, war Monheim hoch verschuldet und stand unter Finanzaufsicht. Heute ist die Stadt schuldenfrei, die Steuereinnahmen sprudeln. Zu den Unternehmen, die sich in Monheim angesiedelt haben, gehören nicht nur zahlreiche Start-ups, sondern auch Größen wie Crop Science, die Landwirtschaftssparte der Bayer AG, die BASF Personal Care and Nutrition GmbH, die Jenoptik Robot GmbH oder der US-amerikanische Desinfektions- und Hygieneexperte Ecolab.
Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Nordrhein-Westfalen liegt Monheim mit seinen 83 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen auf Platz drei, hinter Köln und Düsseldorf und knapp 20 Millionen Euro über den weitaus größeren Städten Münster, Dortmund und Essen.
Landespolitiker und Vertreter anderer Kommunen schimpfen seit Jahren über das »Steuerdumping« in Monheim. Der SPD-Finanzpolitiker Stefan Ziemkeit hält das Monheimer Modell für »unfair«. »Unter anderem Leverkusen und Oberhausen haben die Lasten der Produktion zu tragen, während Monheim die Gewinne über Lizenzverrechnungsmodelle abschöpft«, erklärte der Landtagsabgeordnete schon vor zwei Jahren.
In Monheim argumentiert man dagegen, man stehe in Konkurrenz etwa zu Städten in den Niederlanden und habe deswegen Gewerbesteuern auf einem ähnlichen Niveau. Den ÖPNV-Nutzern in Monheim dürfte das erst mal egal sein, sie freuen sich, Geld für Tickets zu sparen. 61,95 Euro kostet ein Monatsticket im regulären Verkauf, wie es die Monheimer zukünftig von der Stadt geschenkt bekommen.
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