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Strom von künstlichen Inseln
Konsortium will Windenergie-Verteilstationen in der Nordsee
Vor gut zwei Jahren hatte das niederländische Unternehmen Tennet die Vision einer einzigen, allerdings ziemlich großen Stromverteilinsel in der Nordsee präsentiert. Sie sollte auf der Doggerbank entstehen, einer »Anhöhe« aus Sand unter dem Meeresspiegel in der Bucht zwischen den Niederlanden, Deutschland und Dänemark. Das war die Vorstellung eines Konsortiums namens »North Sea Power Hub«, zu dem neben Tennet die Firmen »Energienet« aus Dänemark, die deutsche »Gasunie« und »Port of Rotterdam« aus den Niederlanden gehören.
Mit Vorrichtungen zum Umwandeln und Verteilen der Energie von 7000 Windrädern sollte die Insel ausgestattet werden. Auch Werkstätten, Ersatzteillager für Windkraftanlagen und Unterkünfte für etwa 2000 Beschäftigte waren im Konzept vorgesehen. Auf 1,5 Milliarden Euro hatte Tennet seinerzeit die Kosten für das bei Naturschützern sehr umstrittene Projekt veranschlagt.
Nun aber schwebt dem Konsortium eine Windstromverteilung vor, die von mehreren künstlichen Inseln ausgeht. Wo sie errichtet werden könnten, das werde zurzeit noch untersucht, erklärte Tennet-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens am Dienstag im Sitzungsraum der Landespressekonferenz Niedersachsen. Warum dort? Weshalb wird ein Gedanke solcher Dimension nicht in der Bundeshauptstadt Berlin präsentiert? Weil der Tennet-Konzern zwei deutsche Niederlassungen hat: in Bayreuth und eben auch in Hannover, erfuhren die Journalisten.
Nicht erfahren haben sie trotz emsigen Nachbohrens, was die neue Insel-Idee kosten könnte. Der Tennet-Chef wand sich um eine Euro-Zahl, redete nur von 30-prozentiger Ersparnis, die das Zukunftsprojekt gegenüber der herkömmlichen Strom-Weiterleitung bringen werde. »Na, 120 Milliarden Euro« werde das Ganze wohl verschlingen, raunte jemand aus dem Kreis der Medienvertreter. Meyerjürgens reagierte darauf nicht.
Er pries den Insel-Vorschlag als wichtigen Beitrag zum groß angelegten Ausbau der Offshore-Windenergie. Sie sei »ein Schlüsselfaktor« auf dem Weg zur CO2-Neutralität, die im Sinne der Pariser Klimakonferenz bis 2050 erreicht werden soll. Das Konsortium hat für die Realisierung seiner Insel-Idee eine kürzere Zeit angesetzt: etwa zehn Jahre, vielleicht auch etwas mehr. Und wer bezahlt das alles? Diesbezüglich müsse mit Regierungen, Betreibern von Windenergieanlagen und Stromkonzernen gesprochen werden, so Meyerjürgens sinngemäß.
Gespräche in puncto Verteilstationen seien bereits mit Anliegerstaaten geführt worden, berichtete der Tennet-Chef, auch mit Umweltorganisationen. In einer Erklärung des Konsortiums heißt es, es sei wichtig, die Umweltauswirkungen des Verteilprojekts und des Gesamtausbaus der Offshore-Windenergie »sorgfältig zu berücksichtigen«. In diesem Sinne seien bereits mehrere Studien erfolgt. An die politischen Entscheidungsträger appellieren die Ideengeber des Insel-Projekts, »ausgewogene Entscheidungen zu finden und die Umweltauswirkungen von Offshore-Energie gegen ihre technisch-ökonomischen Auswirkungen und die Dringlichkeit des Erreichens langfristiger Klimaziele abzuwägen«.
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