Lamentierende Erben

Museumsdirektor a. D. Kurt Wernicke zu den Restitutionsansprüchen der Hohenzollern

Was sagen Sie als Historiker und Kenner der brandenburgisch-preußischen Herrscherhauses zu den Restitutionsansprüchen der Hohenzollern? Sind Sie überrascht?

Überrascht kann man eigentlich nicht sein, weil das Verlangen nach der Restitution von Sachen, deren einstiger Erwerb ganz prinzipiell weniger juristische als vielmehr moralische Fragen aufwirft, kein spezifisch hohenzollerisches ist: Die Welt ist voll von Lamentos und wütenden Aktionen, wenn Nutznießern etwas genommen werden soll, was sie sich auf dubiose Weise einst angeeignet haben.

Die Hohenzollern sind - wie andere deutsche Dynastien - im 20. Jahrhundert zweimal enteignet worden, 1926 auf Grund Volkes Wille, allerdings mit Entschädigung, und 1945 auch mit Volkes Wille in der Sowjetischen Besatzungszone. War das rechtens?

Sie sind zuerst durch die preußische Revolutionsregierung im November 1918 besitzlos geworden, denn da wurde ihr gesamtes Eigentum unter Sequester gestellt. Nach der Stabilisierung der Wirtschaft wuchs in allen Fürstenhäusern das Verlangen nach Restitution, und nachdem der kaiserliche Paladin Hindenburg im Reichspräsidentenpalais Platz genommen hatte, ging das Reichsgericht mit einem Grundsatzurteil gegen ein Sachsen-Coburg-Gothaisches Gesetz von 1919, welches das dortige Fürstenhaus enteignet hatte. mit voller Breitseite vor: Das Gothaer Herzogshaus erhielt alle früheren Besitztümer zurück. Darüber erschreckt, bot das preußische Finanzministerium den Hohenzollern an, drei Viertel ihres bis 1918 innegehabten Besitzes zurückzugeben. Im November 1925 initiierte die KPD daraufhin ein Volksbegehren für ein »Gesetz zur entschädigungslosen Enteignung der Fürsten«, dem auch die SPD beitrat. Die Aktion war ein voller Erfolg und führte dazu, dass bei dem dadurch erzwungenen Volksentscheid 14,2 Millionen sich hinter die Forderung stellten. Aber die Demokratie garantierte schon damals Besitz. Das Reichsgericht erklärte das Gesetz für verfassungsändernd, und das hätte die Mehrheit der Stimmberechtigten, also 20 Millionen Stimmen, gebraucht.

Alle danach erfolgenden Enteignungen von Hohenzollern stellen also nichts anderes dar, als die Korrektur der mit einem juristischen Kniff weggewischten Konsequenzen aus dem Volksentscheid von 1926!

Steht der Name der Hohenzollern nicht nur für Kriege des 18./19. Jahrhunderts, sondern auch für zwei Weltkriege im 20. Jahrhundert? Oder stimmt es, wie zuweilen behauptet, dass Kaiser Wilhelm II. 1914 gegen seinen Vetter, den russischen Zaren, eigentlich nicht Krieg führen wollte?

Der Erste Weltkrieg ist - wie wir seit den 1960er Jahren dank Fritz Fischer und seiner Schule wissen - nicht nur mit Wissen, sondern auf Drängen von Wilhelm II. ins Auge gefasst, vorbereitet und ausgelöst worden. Die Mär, dass er seinen Vetter Nikolaj nicht bekriegen wollte, geht auf das deutsche Weißbuch vom 3. August 1914 zurück, das von Fälschungen wimmelt und bestimmt war, der SPD-Fraktion beizubringen, dass das friedliebende Deutsche Reich von asiatischen Horden überfallen werde.

Bekannt ist, dass August Wilhelm von Hohenzollern, genannt AuWi, ein emsiger Trommler der Nazis war. Gab es derer noch andere?

AuWi ist der krasseste Fall des Paktierens mit den Nazis, aber der nächste in der Abfolge der Chefs des Hauses, Kronprinz Wilhelm - der übrigens auch wie jener der SA angehörte -, fädelte 1932 einen Deal mit den Deutsch-Nationalen und der NSDAP ein, dass er als Reichspräsident kandidieren werde und dann, kraft eben dieses Amtes, Hitler zum Reichskanzler ernennt. Hitler war einverstanden. Allerdings verbot Wilhelm II., der 1918 gestürzte Kaiser, den Deal, weil sein Sohn dann ja einen Eid auf die Verfassung der verhassten Republik hätte ablegen müssen.

Haben die Hohenzollern den Deutschen im Laufe der Jahrhunderte nicht auch Gutes beschert? Toleranzedikt, Folter abgeschafft etc.?

Ja, das haben sie ohne Zweifel. Man kann noch die obligatorische Schulpflicht und die Sorge um die Ausbildung von Lehrern hinzufügen, des Weiteren Anfänge der Sozialgesetzgebung, Sorge um Landeskultur, also Entwässerung und Kanalbau, Förderung technischen Fortschritts etc, Das ist aller Ehren wert und steht einer Verteufelung Preußens innerhalb eines dialektischen Geschichtsbildes im Wege. Man sollte aber immer im Hinterkopf haben, dass viele dieser die Untertanen angehenden Sorgen in der monarchischen Spitze auf einen Grundgedanken hinausliefen: die militärische Schlagkraft zu stärken.

Befanden sich auch in dem Museum, dem Sie jahrelang mit vorstanden, Kunstwerke aus dem Hause der Hohenzollern? Und was würden Sie als Ex-Museumschef ihren heutigen Kollegen empfehlen?

Meines Wissens sind einstige Bestände aus dem Hohenzollernmuseum im Schlösschen Monbijou in unserem Museum für Deutsche Geschichte gelandet, darunter die Uniform Friedrichs des Großen als Offizier der 1. Regiment Garde. Das heutige Deutsche Historische Museum, unser Nachfolger, braucht aber wohl meinen Ratschlag nicht, wie es sich gegen eventuelle »Auslieferungsersuchen« zu verhalten hat.

Kann es sein, dass die fordernden Hohenzollern durch Rechtstrend und Rückwärtsgewandtheit gewisser Kreise heute hierzulande ermuntert wurden?

Mir scheint, dass der entscheidende Anstoß für die Hohenzollern der Staatsvertrag war, den die CDU-Regierung des Freistaats Sachsen mit den Wettinern geschlossen hat, der diese mit Restitutionen überschüttet hat und ohne bemerkenswerte Empörung über die Bühne lief.

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