Verurteilt nach Protest gegen Polizeigewalt

Am Donnerstag hatte Protest in Berlin-Kreuzberg gegen Polizeigewalt während des G20-Gipfels in Hamburg ein juristisches Nachspiel.

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Für die Aktivist*innen, die sich am Donnerstagmorgen vor dem Amtsgericht Tiergarten für eine Solidaritätskundgebung versammeln, hat alles mit Polizeigewalt begonnen - damals beim G20-Gipfel in Hamburg. Um auf eben diese aufmerksam zu machen, fand am Abend des 28. Juli 2017 am Heinrichplatz in Kreuzberg eine Kundgebung statt. Irgendwann in den späten Abendstunden hatte die Polizei die Fahrbahn geräumt. Es kam zu Gerangel und Chaos. Die Kundgebung endete mit Polizeigewalt, sagen die Aktivist*innen. Drei von ihnen wurden wegen versuchter Gefangenenbefreiung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichen Angriffs und Körperverletzung angeklagt. Am Donnerstag fand der zweite von insgesamt drei Prozessen statt.

Als die Verhandlung beginnt, ist es zunächst unruhig im Saal: lautes Gähnen, Gelächter und Schnalzen - die Aktivist*innen machen schnell deutlich, was sie von der »Logik der Gerichte« halten, wie sie der Angeklagte bezeichnet. Als die Richterin daraufhin androht, den Saal räumen zu lassen, wird es still.

Still ist es auch, als der Angeklagte, der ohne Rechtsbeistand erschienen ist, sein 18 Seiten langes Statement vorliest. Er wolle eine Alternative für eine Gesellschaft ohne Knäste zeichnen. Die Verhandlung sei ein Lottospiel, so der Angeklagte: die Aussagen der Polizist*innen zählten vor Gericht ohnehin mehr. Eine Arbeit der Universität Bochum belege nun aber, dass es mit deren Gesetzestreue nicht allzu weit her sei. Laut der Studie gibt es jährlich etwa 12 000 rechtswidrige Körperverletzungen durch die Polizei. Nur 2000 davon werden angezeigt, weniger als zwei Prozent kommen vor Gericht, weniger als ein Prozent enden mit einer Verurteilung. Auch die Tatsache, dass der ehemalige leitende Oberstaatsanwalt Roman Reusch AfD-Mitglied ist und inzwischen für diese im Bundestag sitzt, gebe ihm wenig Vertrauen in das Rechtssystem.

Als der Angeklagte zu Ende gesprochen hat, wird die Verhandlung ohne erkenntlichen Grund geräumt. Im abgedunkelten Treppenhaus warten bereits mehrere Dutzend Polizisten, die auch der Presse den erneuten Zutritt in den Verhandlungssaal untersagen und Anwesende teilweise gewaltsam aus dem Gebäude räumen. Wie die Pressestelle des Gerichts dem »nd« mitteilte, wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -