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  • Freien Universität Berlin

Wissen, Waffen, Kohle und Atom

Forschung an der Freien Universität wird auch mit Klimakillern finanziert

  • Julian von Bülow
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Einkaufszentrum Boulevard Berlin in Steglitz und das Hochhaus der Deutschen Bank am Ernst-Reuter-Platz haben eines gemeinsam: Die Freie Universität Berlin (FU) erzielt Rendite mit ihnen.

Die Universität verwaltet 17 Stiftungs- und Nachlassvermögen in Höhe von insgesamt 6,5 Millionen Euro. Mit der daraus erzielten Rendite finanziert die Hochschule Forschungsreisen, -preise und -stellen sowie Sammlungen und Stipendien. Die Freie Universität ist seit vielen Jahren nachweislich um Nachhaltigkeit bemüht. Dennoch zeigt die »nd« vorliegende Auflistung des Portfolios vom Jahresende 2018, dass die FU ihrem Anspruch als nachhaltige Universität nicht gerecht wird.

Gewinn zieht die Universität aus Aktien von Atom-, Öl- und Kohlekonzernen wie RWE, Uniper, Total und OMV. Studierende dürfte das ärgern. Die »Fridays-for-Future«-Gruppe an der Freien Universität hatte im Juni eine Vollversammlung der Studierenden organisiert, auf der sie von der Universität forderte, »bei allen künftigen Entscheidungen die Minimierung der Treibhausgasemissionen zu priorisieren«.

Weitere Renditeobjekte sind Rüstungskonzerne wie Rheinmetall, Boeing oder hierzulande weniger bekannte Firmen wie Honeywell und Northrop Grumman, die in die Atomwaffenproduktion involviert sind. Der exakte Anteil pro Unternehmen bewegt sich bei den Anlagen der FU zwar im maximal fünfstelligen Bereich. Doch die Summe auch der kleinen Anteile ergibt in Fonds nicht unbeträchtliche Beträge. Im Portfolio der Universität sind zudem auch größere Posten wie eine Anleihe der Deutschen Bank in Höhe von 2,85 Millionen Euro. Die Bank ist Hauptaktionärin des Vermögensverwalters DWS, der Fonds ausgibt, die in klimaschädliche Unternehmen investieren. Wie aus der Studie »Fools Gold« hervorgeht, die 2019 von Klimaschutzorganisationen veröffentlicht wurde, hat die Deutsche Bank Beteiligungen an europäischen Kohlekonzernen im Wert von 685 Millionen Euro und vergab an sie zwischen 2016 und 2018 rund 1,8 Milliarden Euro an Krediten.

In Berlin dürfte angesichts des angespannten Wohnungsmarktes pikant sein, dass die Hochschule auch daran verdiente. Ihre Fonds investierten in Deutsche Wohnen und Vonovia. Beide Wohnungskonzerne wurden zuletzt bekannt durch ihr radikales Gewinnstreben, das zu Mietpreissteigerungen beitrug.

Konfrontiert mit diesen Tatsachen teilte die Universität dem »nd« mit: »Bei der Auswahl stehen die wirtschaftlichen Aspekte der Anlage im Vordergrund, wie Risikosicherheit, Stabilität und Kosten für die Verwaltung.« Seit der Finanzkrise 2008 ließe sich wegen der niedrigen Zinsen kaum mehr Rendite mit sicheren Staats- und Firmenanleihen erzielen.

Dem entgegnet Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende: »Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass nachhaltiges Investieren mindestens genauso viel Gewinn abwirft wie schmutziges.« Außerdem könne man auch gezielt Anlageberater*innen wählen, »die auf dem ökologischen Auge nicht blind sind«, so Schick.

Berlins kommunale Unternehmen sind seit 2016 angehalten, ihre aktien᠆basierten Rücklagen in den landeseigenen Nachhaltigkeitsindex BENEXX zu überführen. Investitionen in fossile Brennstoffe, Atomenergie und Kriegswaffen werden dort ausgeschlossen, Automobilkonzerne sind allerdings enthalten. Der Index hat seit 2017 jährlich im Durchschnitt rund fünf Prozent Wachstum erzielt, wie aus der Antwort der Senatsfinanzverwaltung auf eine Anfrage von Michael Efler aus der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hervorgeht.

Für die staatlichen Hochschulen gebe es Empfehlungen für nachhaltige Finanzanlagen, so der Sprecher der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung. »Gerade angesichts ihres großen Engagements und ihrer Vorbildfunktion beim Klimaschutz gehen wir davon aus, dass sich die Hochschulen ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind und entsprechend handeln«, sagt er. Man wolle die Universitäten noch einmal auf die Empfehlungen hinweisen.

Tobias Schulze, Sprecher für Wissenschaft und Forschung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, kündigte an, eine Ausweitung des Investitionskodexes auf die Berliner Hochschulen zu prüfen. »Die Hochschulen sollten ihre Vorbildwirkung wahrnehmen und in Zukunftsbereiche investieren. Rüstungs- und Fossilindustrien gehören nicht dazu.«

Die Freie Universität gab abschließend bekannt: »Wir werden prüfen, ob durch Wertpapieranlagen im Stiftungs- und Nachlassvermögen zusätzliche Nachhaltigkeitsanreize gesetzt werden können.«

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