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»Alle sind schockiert. Es wurde mit niemandem gesprochen«
Der G7-Gegner Joseba Álvarez über verärgerte Bürgermeister und Gewerbetreibende in der Urlaubsstadt Biarritz und Proteste gegen den Gipfel
Vom 24. bis zum 26. August findet in Biarritz der G7-Gipfel statt. In welchem politischen Rahmen ist er einzuordnen?
Frankreich steht derzeit den G7-Staaten vor. Präsident Emanuel Macron hat die G7-Mitglieder nach Biarritz geladen. Die Legitimität des G7-Gipfels wird immer stärker angezweifelt. Frankreich steckt tief in einer politischen und ökonomischen Krise. Macron steht national vor allem wegen der Gelbwesten-Proteste stark unter Druck. Es gibt starken Widerstand gegen ihn und seine neoliberalen Reformen, weshalb Frankreich ein heißer Herbst erwartet. Macron versucht, über den G7-Gipfel aus der Krise zu kommen. Er hat deshalb entschieden, das Treffen in Biarritz, mitten im August, abzuhalten.
Ab Montag finden rund um Biarritz Aktionen gegen das Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben traditionellen Industrienationen statt. Der G7-Gipfel selbst beginnt am kommenden Samstag. Mit Joseba Álvarez, Sprecher von Eleak libre (Freies Baskenland) und Mitglied der Plattform »G7EZ« (baskisch für: Nein zum G7) sprach Ralf Streck.
Foto: Ralf Streck
Wie wird das hier an der Atlantikküste mitten im Haupturlaubsmonat August aufgenommen?
Alle sind schockiert. Es wurde mit niemandem gesprochen, weder mit den lokalen noch mit den regionalen Autoritäten. Der Gipfel wurde Biarritz und der Region aufgezwungen, sagen die Bürgermeister von Biarritz, Hendaye oder die Handelskammer hier. Gewerbetreibende sind sauer. Viele machen im August einen guten Teil der Umsätze fürs ganze Jahr. Theoretisch dauert der G7-Gipfel nur drei Tage, real wird die Region polizeilich-militärisch zwei Wochen besetzt. Viele Geschäfte haben angekündigt, in der Zeit zu schließen, doch der Bürgermeister von Biarritz versucht, eine Geisterstadt zu verhindern.
Wie sieht die polizeilich-militärische Besetzung aus? Berichtet wurde, dass Marine, Heer und Luftwaffe mobilisiert wurden.
Offiziell wurde eingeräumt, dass 10 000 Polizisten ins Baskenland verlegt werden. Die Zone um den Tagungsort in Biarritz wird zur Hochsicherheitszone. Das Gericht in Bayonne wurde mit Containern ausgebaut, um 24 Stunden Tag und Nacht Schnellverfahren durchführen zu können. Auffanglager für Flüchtlinge wurden geräumt, um Platz für Gefangene zu schaffen. Der Flughafen, Strände und Straßen und Zugverbindungen werden gesperrt. Das ist aus politischer und ökonomischer Sicht ein Desaster für die Region.
Wer ist in der Plattform G7EZ (Nein zum G7) zusammengeschlossen, die den Gegengipfel organisiert?
G7EZ wird von mehr als 100 Organisationen getragen. Im Baskenland sind alle sozialen Organisationen, Gewerkschaften und Linksparteien vertreten, darüber hinaus auch die spanische Podemos und andere. In Frankreich natürlich Attac, die Gewerkschaft CGT, feministische, anarchistische Gruppen und Umweltorganisationen. Es gibt dazu noch viele Organisationen, die nicht in der Plattform sind, die aber auch demonstrieren wollen. Im Protestcamp findet zum Beispiel auch das nationale Treffen der Gelbwesten statt, die eine eigene Demonstration schon am Nachmittag des 24. in Anglet planen.
Wie sehen die Mobilisierungen gegen den G7-Gipfel aus?
Wie üblich, wenn sich die Paladine der Demokratie, abgeschottet durch Polizei und Militär treffen, organisiert sich breiter Widerstand. Die Plattform hat sich vor neun Monaten gegründet. Es geht uns auch darum, den Gipfelteilnehmern und den 3500 Journalisten zu zeigen, dass der G7-Gipfel im geteilten Baskenland stattfindet. Wir werden zeigen, dass hier ein harter Kampf für eine andere und bessere Welt und gegen das neoliberale Modell geführt wird. Und wir zeigen, dass wir fähig sind, breite Bündnisse mit progressiven Gruppen und Organisationen zu schließen.
Was gibt es außer Protest gegen den G7-Gipfel und gegen die Politik, die von ihm ausgeht?
Wir haben beschlossen, vom 21. bis zum 24. einen Gegengipfel durchzuführen. Er findet im Messegelände Ficoba in Irun - direkt an der Grenze - und im Kino Varietés in Hendaye statt. Beide Orte liegen keinen Kilometer auseinander, sind aber durch eine Landesgrenze getrennt, die geschlossen werden soll, die wir aber offen halten werden. Wir werden protestieren, feiern und Alternativen aufzeigen und weiter daran arbeiten. Sie gibt es längst in kleineren oder größeren Formen auf lokaler Ebene, wie Kooperativen zeigen. Wenn der G7-Gipfel beginnt, schließen wir den Gegengipfel mit zwei Demonstrationen ab, die von Hendaye und Irun zur Grenze ziehen, um sich dort zu vereinen. Am 25. werden wir uns an der »Operation Regenbogen« beteiligen. Geplant ist, sieben Plätze um Biarritz zu besetzen, was verboten wurde. Wir wollen das aber mit friedlichem und zivilem Ungehorsam durchsetzen, für die die Plattform G7EZ eintritt.
Welche Schwerpunkte hat der Gegengipfel?
Es wurden sieben zentrale Themen festgelegt. Auf 70 Veranstaltungen und 40 Workshops wird über soziale Gerechtigkeit, Immigration und Freizügigkeit, Feminismus und Patriarchat, Zerstörung des Planeten, Neoliberalismus und Diktatur der multinationalen Unternehmen, die Freiheit aller Völker und Menschen sowie über die imperialistische Kriegspolitik debattiert.
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