Gretas Jünger befragen Kandidaten

Bei einer Debatte im Landtag hatten die Grünen leichtes Spiel, die AfD bekam Feuer

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Was bei einer gewöhnlichen Plenarsitzung im Landtag eher die Ausnahme ist, das war am Montag durchgängig gegeben: Kein Platz war unbesetzt, als brandenburgische Jugendliche die Gelegenheit erhielten, den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 1. September »auf den Zahn zu fühlen«, wie es an diesem Vormittag mehrfach hieß. Wählen dürfen auch 16- und 17-Jährige, und nicht wenige davon waren hier, wie Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) hervorhob.

Bei der Abstimmung nach ihrem Auftritt hat sich LINKE-Spitzenkandidatin Kathrin Dannenberg vielleicht gewundert. Eine große Mehrheit der anwesenden Jugendlichen im Plenarsaal wollte nicht, dass die Schulnoten abgeschafft werden, wie es die Lehrerin Kathrin Dannenberg für richtig halten würde.

Ein Drittel der Schüler habe Angst vor der Schule, was auch mit den Zensuren zusammenhänge, hatte Dannenberg argumentiert. Lehrer würden dazu neigen, Mädchen besser zu bewerten, und es sei erwiesen, dass bei gleichen Leistungen Kinder mit Migrationshintergrund oder aus Arbeiterfamilien seltener eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen als solche aus Akademikerfamilien. Über diese Frage sollten nach Ansicht von Dannenberg nicht Politiker entscheiden dürfen, sondern Experten und die seien vielfach gegen eine Leistungsbewertung mit Zensuren. »Noten sind überflüssig, nicht objektiv und gehören abgeschafft«, unterstrich Dannenberg. Länder, die beim PISA-Leistungsvergleich gut abschneiden, verzichten darauf.

Zwar halte auch sie die gegenwärtigen Zensuren nicht für die Ideallösung, doch »müssen Lehrer sie ohnehin erklären«, entgegnete Schülerin Sophie-Charlotte Dittmer vom Lise-Meitner-Gymnasium Falkensee. Wenn Zensuren willkürlich oder eben sehr subjektiv vergeben würden, »dann bin ich als Schülerin diejenige, die darunter zu leiden hat«, das habe aber mit dem System Zensur nichts zu tun, unterstrich Dittmer. Was die Politikerin plane, sei utopisch und nicht realisierbar. Es wäre besser, Lehrer von Arbeit zu entlasten, glaubt die Schülerin und verwies auf ihre Deutschlehrerin, die nach eignen Angaben tagtäglich zwischen 9 und 23 Uhr arbeiten müsse, das Wochenende eingeschlossen.

Mächtig Zunder gaben die Jugendlichen dem AfD-Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz. Als dieser die Klimaschutz-Ikone Greta Thunberg ein »mondgesichtiges Mädchen« nannte, ging ein Aufschrei durch den Saal. Johanna Liebe vom Evangelischen Gymnasium Neuruppin, Bundessiegerin bei »Jugend debattiert«, nannte die Aussage beleidigend. Sie sagte auch, dass die »Heimat«, die Kalbitz für sich reklamierte, auch ihre Heimat sei. »Wenn Sie vom Schutz der heimischen Vogelarten sprechen, sind Zugvögel für Sie nicht ebenso schützenswert?« Die Forderung der AfD, den Bau weiterer Windräder einzustellen und bestehende zurückzubauen, stieß bei Johanna Liebe auf Unverständnis. Auf das Argument von Kalbitz, dass Zehntausende Vögel von den Rotorblättern »geschreddert« würden, entgegnete sie, dass das 180-fache dieser Zahl an Vögeln an Glasscheiben verende. Vögel seien weniger durch erneuerbare Energien als durch Pestizide und Katzen bedroht.

AfD-Mann Kalbitz verurteilte die freitäglichen Schülerstreiks für den Klimaschutz als »Schulschwänzen« und bezeichnete die Klimadebatte in Deutschland als »ziemlich verkrampft«. Jeder, der in seinem Garten ein Lagerfeuer entzünde, gelte schon als »Klima-Nazi«.

»Was halten Sie von Bernd Höcke, der doch ein ziemlicher Nazi ist?«, fragte ein Schüler des Liese-Meitner-Gymnasiums. »Bernd Höcke ist kein Nazi«, entgegnete Kalbitz und sprach von »dauerroter Bestrahlung«, die zu so einer Einschätzung seines Parteifreundes führe. Kalbitz ergänzte: »Glauben Sei nicht alles, was in der BILD-Zeitung steht.«

Ein Heimspiel vor den Greta-Jüngern hatte Grünen-Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher. Ihrem Wunsch, früher als 2038 aus der Braunkohle auszusteigen, folgte ihr Debattenkontrahent Julius Niewisch vom Potsdamer Humboldt-Gymnasium allerdings nicht. Dieses Datum sei ein guter Kompromiss, Abweichungen würden zu Verunsicherung und Erbitterung führen und Menschen nach politischen Alternativen suchen lassen, warnte er.

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