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- Illegale Beschäftigung
Großrazzia gegen Schwarzarbeit
Wegen illegaler Beschäftigung am Bau wurden Wohnungen und Geschäfte durchsucht
Mit einer Großrazzia haben am Mittwoch Zoll und Bundespolizei in der Hauptstadtregion, Berlin und Brandenburg, sowie in Sachsen-Anhalt einen Schlag gegen die illegale Beschäftigung in der Bauwirtschaft geführt. »Der Schwerpunkt lag ausdrücklich in Berlin«, teilte Martin Steltner, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, dem »nd« mit.
»Seit heute früh durchsuchen über 1900 Beamte von Hauptzollamt und Bundespolizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin über 100 Wohn- und Geschäftsadressen im Berliner Stadtgebiet. Tatverdacht: Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern im Baugewerbe«, so ein Tweet der Staatsanwaltschaft.
Das bei der Aktion federführende Hauptzollamt Berlin ließ wissen, dass die Fahnder Baustellen, Geschäftsräume und Steuerberaterbüros unter die Lupe nahmen. Für die Razzien hätten alle 41 Hauptzollämter Personal abgestellt.
Im Einzelnen durchsucht wurden demnach Räume in Berlin, Falkensee in Brandenburg, Dessau und Halle in Sachsen-Anhalt. Bei den Kontrollen gehe es vor allem darum, Beweise zu sichern, etwa Dateien auf Smartphones sowie E-Mails, sagte ein Sprecher des Zollamtes. Ob sich die Ermittlungen gegen einzelne Täter oder eine Gruppe von Verdächtigen richten, war zunächst unklar.
Im Jahr 2018 war die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Berliner Hauptzollamtes bei rund 1600 Prüfungen wegen Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung im Einsatz, das waren rund 100 Fälle mehr als im Jahr zuvor. Dabei wurden 4100 Ermittlungsverfahren eingeleitet sowie Buß- und Verwarnungsgelder in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro verhängt. Die Schadenssumme lag den Angaben zufolge bei 88,6 Millionen Euro.
Auf Gewerkschaftsseite fand der Einsatz gegen Schwarzarbeit Zustimmung. »Es ist gut, dass Zoll und Polizei solche Großkontrollen durchführen«, sagte Nikolaus Landgraf, Regionalleiter der IG Bau, Agar und Umwelt Berlin-Brandenburg. Angesichts des aktuellen Booms in der Bauwirtschaft suchten viele Arbeitgeber nach Personal, versuchten dennoch, die Kosten zu drücken und ließen verstärkt Scheinselbstständige und illegale Beschäftigte zu teils menschenunwürdigen Konditionen arbeiten. So sei ein mafiaartig organisiertes Netzwerk entstanden, das mit illegalen Vermittlungsfirmen zusammenarbeite und Billigarbeitskräfte auf den Baustellen hin- und herschiebe, so der Gewerkschafter. Die Rede sei vor allem von Menschen aus Südosteuropa und der früheren Sowjetunion. Nur mit regelmäßigen Razzien ließe sich dieser regelrechte Sumpf trockenlegen.
Worum es dabei geht, belegt eine jährlich von der Universität Linz erstellte Analyse »Die Größe der Schattenwirtschaft«. 2018 schätzte Friedrich Schneider vom Forschungsinstitut für Bankwesen der Uni deren Umsatz in Deutschland auf 323 Milliarden Euro. »40 bis 50 Prozent dieser Summe entfallen auf die Bereiche Bau und Handwerk«, so Landgraf.
Für die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft teilte Christiane Witek dem »nd« mit: »Als Unfallversicherungsträger der Bauwirtschaft haben wir ein hohes Interesse an der Bekämpfung und Eindämmung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung.« Dadurch entgingen der Berufsgenossenschaft erhebliche Beiträge, für die Folgen etwaiger Unfälle müssten aber alle Beitragzahler einstehen.
Auch die Fachgemeinschaft Bau begrüßte die Durchsuchungsaktion, zugleich aber forderte sie von der Politik eine massive Aufstockung der Zollfahnder sowie Verstärkung der Kontrollen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Zudem müsse die Kontrollgruppe des Senats und anlassunabhängige Prüfungen personell aufgestockt werden.
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