Keimzelle der Bewegung

Im Rheinland findet derzeit bereits zum zehnten Mal ein Klimacamp statt.

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Lange war das Klimacamp im Rheinland einer der zentralen Orte der Bewegung in Deutschland. Jeden Sommer traf man sich für ein paar Tage am Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler, diskutierte, übte Aktionen und tauschte Wissen aus. Höhepunkte der Campgeschichte waren dabei sicherlich die »Ende Gelände«- Aktionen: 2015 drangen erstmals Hunderte Menschen in einen Tagebau ein, besetzten einen Kohlebagger und sorgten für stundenlangen Stillstand. 2017 konnte »Ende Gelände« mit einer Gleisblockade ähnliche Erfolge erzielen. Mit solch spektakulären Aktionen ist in diesem Jahr nicht zu rechnen. Mit 350 bis 400 Menschen findet das Camp in beinahe familiärem Rahmen statt.

Ein Grund für schlechte Laune ist das allerdings nicht, denn die Rolle des Camps im Rheinland hat sich gewandelt. »Größe ist nicht immer alles«, sagt Volka Meier von der Pressegruppe. Wenn man sich miteinander vernetzen wolle, sei es gar nicht so hilfreich, wenn 10 000 Menschen bei einem Camp seien. In den letzten Jahren habe man viel diskutiert. Will die Bewegung einen »Hotspot«, der wächst und wächst, oder in die Breite gehen? Man hat sich für Letzteres entschieden.

In diesem Jahr gab es bereits das Klimacamp bei Leipzig, Zeltlager in Österreich, Tschechien und Großbritannien. Im September stehen ein weiteres in Venedig und die Aktionen gegen die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt am Main an. Die Klimagerechtigkeitsbewegung ist über das Camp im Rheinland, das Meier als eine »Keimzelle« der Bewegung bezeichnet, hinausgewachsen. Schön sei, dass man sich untereinander noch immer kenne.

Die Erfahrungen und Erlebnisse vieler Aktiver im Rheinland hätten zur aktuellen »Verbreiterung« beigetragen, meint Meier. Für das Camp nahe Erkelenz sei Beständigkeit ein Markenzeichen. Ein Ausdruck dafür sei die immer engere Kooperation mit lokalen Akteuren. Mittlerweile sei es eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen aus den umliegenden Dörfern zum Camp kommen, sagt der Sprecher.

Eine Initiative, für die das Klimacamp eine Starthilfe war, ist das Bündnis »Alle Dörfer bleiben«. Britta Kox, die in Berverath lebt, einem Dorf, das dem Tagebau Garzweiler weichen soll, erzählt, das Camp sei im letzten Jahr die Initialzündung für das Bündnis gewesen. »Damals hatte ich noch gar keine Erwartungen, und ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell so groß werden.«

Im März hat das Bündnis einen Sternmarsch mit mehreren Tausend Teilnehmern und verschiedene kleine Aktionen veranstaltet. Die Veranstalter des Klimacamps hatten 2018 Bewohner der Dörfer zu einer offenen Gesprächsrunde eingeladen. Dabei sei die Idee zum Bündnis entstanden. »Den Anstoß zu bekommen war wichtig«, sagt Kox. »Menschen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung haben uns bei vielen Dingen unter die Arme gegriffen«, erklärt sie die Bedeutung des Camps für den lokalen Widerstand. Die Zukunft für die Arbeit des Bündnisses sieht sie optimistisch. Mit Druck auf die Politik könne man dafür sorgen, dass alle Dörfer erhalten bleiben.

Den Druck auf den Energiekonzern RWE möchte das Bündnis »Kohle ersetzen« am Wochenende erhöhen. Geplant ist eine Aktion zivilen Ungehorsams. Clara Tempel erklärt, man wolle mit niedrigschwelligen Aktionen, »bei denen möglichst jeder mitmachen kann«, die Kohleinfrastruktur blockieren. In den vergangenen Jahren wurden Zufahrten von Kraftwerken durch 150 bis 350 Menschen blockiert. Tempel: »Mein ganzes Leben wird schon vom Klimawandel geredet, aber trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse können wir uns augenscheinlich nicht auf die Politik verlassen.« Daher sehe sie es als »unsere Pflicht, uns der Zerstörung der Lebensgrundlagen mit unseren Körpern zu widersetzen«. Ein bisschen aktionistisch wird es also auch beim zehnten rheinischen Klimacamp.

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