Rezo zerstört »Bild«

Warum die Aufregung über das jüngste Video des Youtubers übertrieben ist

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Journalisten jenseits der 40 wirkt es oft befremdlich, was die jüngere Generation drüben auf Youtube veranstaltet. Vor einigen Wochen widmete die »Frankfurter Sonntagszeitung« (FAS) der Videoplattform sieben Seiten. Der irritierend quietschbunte Titel war mit »Die kommende Kultur« überschrieben, woraus sich die Frage ergibt, wann in den Frankfurter Redaktionsstuben das schnelle Internet Einzug hielt oder ob im Feuilleton nur aus Trotz gegenüber der Außenwelt zu lange auf eine ISDN-Leitung gesetzt wurde, was die plötzliche Entdeckung von Youtube erklären könnte. Die Plattform gibt es ja erst seit eher kurzen 14 Jahren.

Immerhin bewies die Redaktion Weitblick und platzierte auf ihrem Titelbild einen Hinweis auf die »Space Frogs«, ein deutsches Comedyduo, das in seiner letzten Sendung zu Wochenbeginn Rezo zu Gast hatte. Und weil Medienjournalisten den Youtuber seit seinem Video über die CDU kurz vor der Europawahl im Mai ganz genau beobachten, konnte ihnen kaum entgehen, wie der 27-Jährige »die Zeitungen« zerstört (»Augsburger Allgemeine«). Was natürlich Unsinn ist, weil schon der Titel des 15-minütigen Clips (»Wir BILDen Rezo«) ein Hinweis darauf sein dürfte, dass sich der Schwerpunkt der Sendung um ein gewisses Boulevardmedium und dessen Berliner Schwesternblatt »B.Z.« dreht, an dem sich Rezo und seine Gastgeber hauptsächlich abarbeiten.

»Ey, wer liest das?«, fragt der Youtuber beispielsweise gespielt empört, als er beim Durchblättern einer »Bild«-Zeitung auf das TV-Programm stößt und erklärt, dass er ohnehin kein lineares Fernsehen schaut. Für die Generation Rezo sind Mediatheken absolut selbstverständlich, gedruckte Zeitungen dagegen ein Fremdwort, wie Studien immer wieder zeigen.

Wir BILDen Rezo

Diesen Generationenunterschied sollten Rezos Kritiker bei der Einordnung des Videos ebenso berücksichtigen wie den Umstand, dass der Youtuber seine Medienschelte als Teil einer Comedysendung losließ, was geäußerte Übertreibungen, Witze und Polemiken erklärt. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) nahm das Video aber sehr ernst und verbreitete eine Erklärung, die kurz darauf zurückzogen wurde. »Es ist billig, einerseits die Recherchen von Journalisten für das Anti-CDU-Video intensiv zu nutzen und wenige Wochen später der gesamten Berufsgruppe kollektive Hirnschäden anzudichten«, so DJV-Chef Frank Überall.

Nun spricht Rezo tatsächlich mehrfach pauschal von »den Journalisten«, meint aber - das wird beim genauen Zuhören klar - konkrete Fälle, etwa als er erzählt, wie »Bild«-Journalisten unangekündigt bei ihm klingelten oder eine Redakteurin der »FAZ« anrief, um von ihm ein Zitat darüber zu bekommen, wie er es finde, dass Personen, die einmal Gast in seiner Sendung waren, eine Fernreise mit dem Flugzeug unternehmen. Durchaus reflektiert kritisiert er diese journalistische Praxis und ruft ironisch dazu auf, ihn zu zitieren, weil das Klicks bringe.

Für den »Cicero« stapelt Alexander Kissler besonders hoch und behauptet, Rezo fremdele mit der Freiheit und wolle keine Debatte. Der Youtuber sollte ein Video dazu machen, dass das deutsche Feuilleton sich oft viel zu wichtig nimmt.

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