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Den Weg zum Sieg suchen
Jordaniens Trainer Joseph Stiebing über Entwicklungshilfe, Teamkultur und Wachstumsschmerzen im Basketball
Wie wurden Sie als US-Amerikaner Trainer in Jordanien?
Nachdem die Mannschaft in der WM-Qualifikation dreimal in Serie verloren hatte, suchte der Verband einen neuen Trainer. Ich war früher mal Nationaltrainer von Katar und verhalf dem Land zu seiner einzigen WM-Teilnahme 2006. Der Generalsekretär des jordanischen Verbands fragte also den früheren Generalsekretär des katarischen, ob ich ein guter Trainer für sein Nationalteam wäre. Er antwortete: »Frag ihn doch selbst!« Ich hatte nämlich gerade einen Vertrag bei einem Klub in Katar unterschrieben, und so begannen die Verhandlungen. Zum Glück durfte ich aus dem Vertrag noch aussteigen, denn ich wollte unbedingt in Jordanien anfangen.
Wie kommt es, dass Sie oft Teams aus dem Nahen und Mittleren Osten trainieren?
Ganz so ungewöhnlich ist das gar nicht. Es gibt viele Basketball-Entwicklungsländer und dortige Vereine, die sich ausländische Trainer holen, um sich weiterzuentwickeln. Ich war ein Jahr Coach in Dubai, vier Jahre in Katar und dann fünf in China. Ich mag es sehr, in anderen Ländern zu arbeiten, und meistens hatte ich dabei auch Erfolg. Meiner Meinung nach haben wir den auch in Jordanien. Leider zeigt sich das hier bei der WM nur noch nicht. Das ist etwas frustrierend. Im Auftaktspiel gegen die Dominikanische Republik fehlten uns zwei Korberfolge zum Sieg. Hätten wir gewonnen, würden wir jetzt gegen Deutschland noch ums Weiterkommen spielen.
Auch Sie haben schon zwei Spiele verloren und können die Zwischenrunde nicht mehr erreichen. Im Gegensatz zur deutschen Mannschaft war Jordanien aber kein Mitfavorit. Bei ihrem hitzigen Gespräch gerade mit Center Ahmad Al-Dwairi war aber zu erkennen, dass Ihre Spieler trotzdem sehr enttäuscht sind.
Ja klar, wenn du verlierst, bist du immer frustriert. Die Niederlagen sind aber nicht die einzigen Gründe für den Frust. Wir sind zum Großteil eine sehr junge Mannschaft, die noch lernt, wie man das Spiel spielen muss und Wege zum Sieg findet. Sie wächst noch, und das ist nun mal mit Wachstumsschmerzen verbunden. Die älteren Veteranen im Team frustriert es, dass die Jüngeren manchmal einfach noch nicht auf ihrem Niveau denken. Und natürlich verstehe ich das.
Wie viel Zeit hatten Sie denn bislang, um das Team zu formen?
Ich bin erst seit knapp zehn Monaten Trainer der Jordanier. Es dauert aber Jahre, ein Team zu entwickeln. Und wir versuchen auch noch, die Teamkultur zu ändern, ein neues System einzuführen, weil drei Leute relativ neu dazugekommen sind. Das macht es noch schwerer. Manche Leute wollen, dass das über Nacht klappt, aber leider funktioniert das so nicht.
Welche neuen Spieler sind das?
Vornehmlich Dar Tucker, der aus den USA stammt, und der türkischstämmige Dwairi, der allerdings schon etwas länger für Jordanien spielt. Um das Spiel auf die beiden einzustellen, mussten wir einiges von dem wegnehmen, was wir vorher als Einheit schon erarbeitet hatten. In den ohnehin kurzen Länderspielfenstern konnte Dar zum Beispiel oft erst drei Tage vor den Spielen zu uns stoßen. Wir hatten zuvor ein recht kompliziertes Spielsystem erarbeitet, dass wir mit ihm auf die Schnelle nicht umsetzen konnten. Das hätte eine längere Lernzeit benötigt. Also mussten wir einfachere Offensivsysteme einführen, die den Stärken von Tucker und Dwairi eher entsprechen. Unser Problem ist die Team-Chemie: Wir kennen einander einfach noch nicht gut genug, um immer zu wissen, was der andere auf dem Feld im nächsten Moment machen wird.
Sie wollen also mehr Zeit zur Entwicklung des Teams? Werden Sie die auch bekommen, wenn Sie hier kein Spiel gewinnen sollten?
Das entscheidet natürlich die Verbandsführung. Ich finde, dass wir in den zehn Monaten schon viel erreicht haben, der Weg ist aber noch lang. Ich würde ihn gern weitergehen, denn ich mag solche Herausforderungen.
Die Deutschen sind sehr frustriert, weil sie sich viel mehr ausgerechnet hatten. Ist das gut für Ihre Mannschaft im Duell an diesem Donnerstag?
Ich glaube nicht. Die deutschen Spieler sind ja nicht im Tal der Tränen, sondern bestimmt sehr verärgert. Und ich fürchte, das wollen sie jetzt am kleinen Jordanien auslassen. Das muss ich meinen Spielern klarmachen. Deutschland wird alles reinhauen in diese Partie. Und wir müssen dagegenhalten, um eine Chance zu haben. Doch auch mein Team wird motiviert sein. Jordanien hat bei einer WM noch nie ein Spiel gewonnen. Das wäre also eine riesige Errungenschaft für uns.
Was ist der Schlüssel zum Sieg gegen Deutschland?
Natürlich muss man Dennis Schröder irgendwie zu fassen bekommen. Er treibt ihr Spiel an, aber viele andere können auch gut werfen. Am Dienstag haben wir die französischen Schützen zu häufig ungedeckt gelassen. Das müssen wir gegen die Deutschen besser machen.
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