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Flaute in der Windenergiebranche

Industrie und Gewerkschaften schlagen angesichts rückläufiger Aufträge Alarm. Lohnt sich künftig nur noch das Servicegeschäft?

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Deutschland ist von der Überholspur auf den Standstreifen gewechselt« - so fasst der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, die Lage beim Ausbau der Windenergie an Land zusammen. Die Unternehmen seien »von diesem Schneckentempo direkt betroffen«. Dies gelte für Windanlagenhersteller, aber auch für Lieferanten und Handwerker. Und Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, weist darauf hin, dass durch den Einbruch von Aufträgen in der deutschen Windindustrie seit Beginn vergangenen Jahres 8000 bis 10 000 Arbeitsplätze verloren gegangen seien.

Als nächste trifft es mehrere Hundert Beschäftigte von Senvion. Bislang arbeiten rund 2000 Menschen in Deutschland für den Hamburger Windanlagenbauer, der im April Insolvenz in Eigenverwaltung ankündigte. Seit vergangener Woche ist klar: Der Verkauf als Ganzes ist gescheitert, das Unternehmen wird in Einzelteile zerlegt. Interessenten sollen hauptsächlich das lukrative, wenig schwankungsanfällige Wartungs- und Servicegeschäft im Auge haben. Noch im September soll die Gläubigerversammlung über die Offerten abstimmen. »Für den Turbinenbereich sind trotz intensiver und weltweiter Suche keine Angebote für den gesamten Bereich eingegangen«, teilt Senvion mit. Hoffnung besteht für Beschäftigte in anderen Ländern, denn Flaute herrscht fast allein in Deutschland.

Laut DIHK sind im ersten Halbjahr hierzulande Windkraftkapazitäten von nur 280 Megawatt (MW) neu errichtet worden. Optimistische Prognosen gehen für das Gesamtjahr von 1500 Megawatt aus, während es im Vorjahr noch 2500 MW waren. In den Jahren 2014 bis 2017 lag der jährliche Zubau bei durchschnittlich 4600 MW. Bei Anlagen auf hoher See sieht es kaum besser aus, da die Bundesnetzagentur den Ausbau von Offshore-Windparks gedeckelt hat.

Die stockenden Genehmigungen für neue Projekte führten dazu, dass der Ausbau auf absehbare Zeit niedrig bleiben werde, sorgt sich der Bundesverband Windenergie (BWE). »Damit steht zugleich die Energiewende vor großen Problemen«, klagte Verbandspräsident Hermann Albers kürzlich auf dem Branchentreffen »Rostock Wind 2019«. Vom Gipfel in Berlin verspricht sich Albers aber viel. Wirtschaftsminister Peter Altmaier werde »die Hemmnisse des Windenergieausbaus anpacken«. Im Juli stellte der BWE Altmaier einen umfassenden »Aktionsplan für mehr Genehmigungen« zu, der Lösungsansätze für den Genehmigungsstau formuliert. Derzeit sollen rund 11.000 MW Windenergieleistung in solchen Verfahren festhängen.

Beste Aussichten hat die Branche ohnehin global. Für die Jahre 2019 bis 2023 prognostiziert der Global Wind Energy Council allein für Asien einen Zubau von Windenergie an Land von 145 000 MW, es folgen Europa sowie die Region Nord- und Südamerika mit jeweils 63.000 MW. Allein im Jahr 2019 wird für den Weltmarkt ein Zubau von rund 59 000 MW prognostiziert. »Mit nur noch 2,5 Prozent des Weltmarktvolumens droht Deutschland als Innovations- und Industriestandort den Anschluss zu verlieren«, sagt Matthias Zelinger vom Maschinenbauverband VDMA. Und eine aktuelle Betriebsräteumfrage der IG Metall kommt zu dem besorgniserregenden Ergebnis, dass in 43 Prozent der Betriebe über Produktionsverlagerungen ins Ausland nachgedacht wird.

Der Fall Senvion zeigt indes, dass die Branche vor allem ihre Hausaufgaben besser machen muss. In dem seit 2016 börsennotierten Unternehmen, das mehrheitlich dem US-Fonds Centerbridge gehört, kam es im vergangenen Jahr zu Verzögerungen bei Projekten. Dadurch blieben Umsätze aus und Strafzahlungen an Kunden wurden fällig. Im Frühjahr entstand eine 100-Millionen-Euro-Lücke.

Größere Anlagenbauer, die zudem internationaler aufgestellt sind, schneiden besser ab. Bei Siemens Gamesa, einem der Spitzenreiter weltweit, freut man sich im zweiten Quartal über ein »sehr starkes Wachstum« bei den Aufträgen - unter anderem 2,3 Milliarden Euro für zwei Offshore-Windparks einschließlich Serviceleistungen in Taiwan sowie mehrere Großaufträge an Land überwiegend in den USA. Auch der Hamburger TecDAX-Konzern Nordex erwartet nach einer schwachen ersten Jahreshälfte nun eine Steigerung der Erlöse. Und Inlandsbranchenprimus Enercon hat gerade seine Geschäftsführung neu aufgestellt, um sich noch stärker international auszurichten. Schon heute macht das Unternehmen aus Ostfriesland mehr als die Hälfte seines Geschäftes im Ausland.

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