Beratung kommt oft zu spät

Seit zehn Jahren gibt es in Berlin gezielte Hilfe für Pflegebedürftige und deren Angehörige

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Meine Mutter kommt allein nicht mehr klar, was kann ich tun?«, »Die Wohnung meines demenzkranken Vaters muss umgebaut werden, wer ist dafür ansprechbar?« - die Fragen, die Menschen stellen, die in Berliner Pflegestützpunkten Beratung suchen, kommen direkt aus dem Alltag von Angehörigen pflegebedürftiger Menschen.

Solche und ähnliche Fragen versuchen Andrea Didszun und Birgit Burmeister jeden Tag zu beantworten. Beide arbeiten im Haus der Gesundheit in Berlin-Mitte, in einem der mittlerweile 36 Pflegestützpunkte, die es im Land Berlin gibt. »Wir versuchen herauszufinden, in welcher Lebenssituation sich die Beteiligten befinden, welche Schwierigkeiten sie haben und welche Wünsche nach Veränderung es gibt«, erzählt Andrea Didszun. Sie ist am Mittwoch bei einem Gespräch zum Thema im Roten Rathaus dabei, das aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Stützpunkte stattfindet. Bei sehr vielen pflegebedürftigen Menschen, so die Sozialpädagogin, gehe es um Fragen zur Hilfe bei der Haushaltsführung, dem Einkauf, der Zubereitung eines warmen Mittagessens. Die Beantwortung erfolgt kostenlos und unabhängig, auf Wunsch wird eine individuelle Fallberatung samt Hilfebedarfsplan angeboten.

Bürgerdialog »Pflege 2030«

Pflege geht alle an! So lautet die Leitidee vom Dialog »Pflege 2030«, der auf der Initiative der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) beruht.

In einem Bürgerbeteiligungsverfahren soll nun geklärt werden: Wie soll die Pflege in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aussehen? Welche Herausforderungen und Veränderungen kommen auf die Menschen zu? Was kann die Politik tun, um diesen Herausforderungen und Veränderungen gerecht zu werden?

Der Bürgerdialog soll zukunftsorientiert, generationenübergreifend und ergebnisoffen ausgestaltet werden.

Am 19. September 2019 um 15.30 Uhr möchte die Senatsverwaltung zum Auftakt des Bürgerdialogs im Auditorium Friedrichstraße mit der Berliner Stadtgesellschaft ins Gespräch kommen. Vertreter*innen von Verbänden und Politik stellen sich dort im Rahmen einer interaktiven Konferenz der Diskussion. clk

Träger der Pflegestützpunkte sind die Pflege- und Krankenkassen gemeinsam mit dem Land Berlin. Insgesamt führen die 140 Mitarbeiter*innen in den berlinweiten Standorten jährlich 63 000 Beratungen durch, mittlerweile 60 Prozent der Ratsuchenden sind Angehörige. Die Tendenz ist steigend. Darunter befinden sich auch immer mehr Kinder: deutschlandweit, davon geht der Verein Pflege in Not in Berlin aus, pflegen etwa 500 000 junge Menschen zwischen zehn und 19 Jahren bedürftige Angehörige - keine altersgerechte Tätigkeit. Deshalb, so Burmeister, gibt es in Berlin mittlerweile auch zehn Kinderverantwortliche in den Stützpunkten. Es gebe Tage, da habe sie abends keine Stimme mehr, gibt Didszun auf die Frage nach der Arbeitsbelastung hin zu. Die Beratung umfasse häufig schwierige Bereiche, gerade wenn es um die Feststellung von Pflegegrad, Begutachtung oder Leistungsanspruch gehe - die mit hohen bürokratischen Hürden verbunden seien. Bei vielen Betroffenen komme die psychosoziale Ebene dazu: »Schwere Diagnosen, oder wenn sich die Partnerschaft durch Pflegebedürftigkeit verändert«, berichtet Birgit Burmeister. Viele suchten erst dann Beratung, wenn die Situation unausweichlich sei. »Die Menschen müssen das erst sortieren«, sagt Didszun. Dabei könne die Beratung schon im Voraus hilfreiche Zugänge in das bestehende Versorgungssystem öffnen. Eine Kundenbefragung habe sehr hohe Zufriedenheit signalisiert.

Angesichts des Pflegenotstands wird der Ausbau von Pflegestützpunkte weiter notwendig sein. Manches können auch die gut aus- und weitergebildeten Berater*innen nicht auffangen: »Wir bemerken immer mehr die Angst der Menschen vor dem Verlust ihrer Wohnung«, berichtet Burmeister. Das größte Problem bleibe aber der Personalmangel. Pflegebedürftige Kinder müssten so aufgrund fehlender Schulbegleitung zu Hause bleiben - ihre Eltern auch. »Pflegeberufe brauchen mehr Anerkennung«, fordert Andrea Didszun.

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