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Europa kann die Kurve kriegen
Vincent Welsch über DiEM25, das neue EU-Parlament und einen Neuen Deal für Europa
1,4 Millionen Menschen gaben bei den Europawahlen im Mai ihre Stimme dem European Spring. Dieses Bündnis progressiver Parteien trat mit der ersten (simulierten) paneuropäischen Liste der Geschichte zu den Wahlen an. Ihre zentrale Botschaft lautete: Europa braucht einen Neuen Deal!
In Portugal, Spanien, Frankreich, Deutschland, Dänemark, Polen und Griechenland schafften es die assoziierten Parteien und Sonstigen Politischen Vereinigungen (SPV), die jeweiligen Anforderungen zu erfüllen, um zur Wahl zugelassen zu werden. Neben den Inhalten wirkte auch das Personelle stark verbindend. Die verschiedenen nationalen Wahlvorschläge waren durchsetzt mit Kandidatinnen und Kandidaten aus zahlreichen europäischen Ländern, genau so, wie man es bei einer echten paneuropäischen Liste erwarten würde.
So trat in Deutschland der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis als Spitzenkandidat der SPV Demokratie in Europa an, während die European-Spring-Liste in Griechenland von einem Deutschen angeführt wurde. Trotz des beachtlichen Zuspruchs der Wählerinnen und Wähler scheiterte das Bündnis in allen sieben Ländern teils sehr knapp an den nationalen Prozenthürden.
Und so lässt die Zusammensetzung des neuen Europäischen Parlaments leider kaum Mehrheiten für progressive Positionen zu. Selbst jenen Politikerinnen und Politikern aus der Riege der Etablierten, die dem grünen und linksliberalen Lager zugeordnet werden können, fehlt es augenscheinlich an politischer Vision und Konsequenz. Jahre des Sparzwangs und der politischen Apathie haben dagegen auf dem Kontinent und auch anderswo die Renaissance der Rechten vorangetrieben.
Diese neue »Nationalistische Internationale« aus reaktionären bis neofaschistischen Gruppierungen und Parteien ist bestens miteinander vernetzt. In einigen EU-Mitgliedsländern ist oder war ihresgleichen sogar an der Regierung beteiligt. Sie speist sich aus dem politischen Unvermögen des neoliberalen Establishments, gesellschaftlich adäquate Lösungen auf die Probleme unserer Zeit zu finden. Aus Angst vor Machtverlust präsentieren Vertreterinnen und Vertreter des Establishments sich und den Status Quo als einzig vernünftige Alternative zur Bedrohung von rechts. Margaret Thatchers »There is no alternative« wurde zum weithin geteilten Narrativ. Und das, obwohl es gerade deren Handeln (oder Nicht-Handeln) ist, das diese Bedrohung erst hat Gestalt annehmen lassen.
Hieraus entsteht eine falsche Dichotomie, die Wählerinnen und Wähler scheinbar nur die Wahl zwischen einem kleineren Übel und der populistischen Wildcard lässt. Establishment und Nationalisten nähren sich gegenseitig: In ihrer Inkompetenz und Bedrohlichkeit sind sie voneinander abhängig und auf die Ablehnung des jeweils anderen angewiesen, um als Option für die Wählerschaft wahrgenommen zu werden.
Wenn Europa nicht am Nationalismus oder fatalen ökonomischen Dogmen zugrunde geht, dann spätestens durch die verheerenden Effekte der globalen Klimakrise. Tatsächlich ist die angemessene Antwort auf die Frage, wie mit diesen drei Gefahren im Einzelnen umzugehen sei, stets ein und dieselbe. Austerität führt zu weniger Investitionen in Klimaschutz und öffentliche Dienstleistungen, was wiederum Umweltkatastrophen sowie soziale Verwerfungen befördert.
Das wiederum spielt den Rechten in die Karten. Prozyklische Konjunkturpolitik verschärft die Notlage der öffentlichen Haushalte, was erwiesenermaßen zu noch mehr Austerität führt. Europas Krisen bedingen einander, deshalb kann die Lösung nur ein ganzheitliches Konzept sein, das die Art unseres Wirtschaftens radikalpragmatisch umkrempelt.
Dieses Konzept ist der Green New Deal für Europa (GNDE) - ein Plan, der auf die Vorschläge der Demokratiebewegung DiEM25 zurückgeht. Mittlerweile ist daraus eine überparteiliche, gesamteuropäische Kampagne entstanden. Der Plan sieht vor, die riesigen Mengen brachliegender Liquidität im Finanzmarkt zugunsten klimafreundlicher und sozialer Infrastrukturprojekte einzusetzen. Mit den vorhandenen Instrumenten der europäischen Finanzarchitektur sollen die dafür notwendige Strukturen geschaffen werden. Der GNDE ist so konzipiert, dass mit seiner Implementierung schon morgen begonnen werden könnte. Alles, was es dazu wirklich bräuchte, ist der politische Wille.
Eine Langfassung dieses Textes erschien auf www.die-zukunft.eu.
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