Selbstverwaltet ins Internet

Das linke Zeitungskollektiv »Analyse und Kritik« wagt mit einer Spendenkampagne die digitale Transformation

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Zeitungsbranche steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Der Großteil der Verlage leidet unter sinkenden Leserzahlen und Einnahmen. Die Transformation hin zu digitalen Produkten soll es richten, sie erweist sich jedoch als langwierig und schwierig. Nicht wenige progressive Medien kämpfen derzeit um ihr Überleben. Die linke Monatszeitung »Analyse und Kritik« (ak) schwimmt in mehrfacher Hinsicht gegen den Strom.

Der kleine Hamburger Kollektivbetrieb hat steigende Abonnentenzahlen und das bisher sogar ohne ein Digitalangebot. Die einfache Webseite erinnert an die 1990er Jahre, die monatlich rund 6000 verkauften Exemplare werden klassisch auf Papier gedruckt. Etwa 5000 Abonnenten schätzen die bewegungsnahen Analysen und das politische Selbstverständnis selbst in analoger Form. Doch reicht das, um Schritt zu halten?

Mit einer jüngst gestarteten Spendenkampagne will die ak nun doch den Sprung in die digitale Gegenwart nachholen. Das Crowdfunding-Projekt für eine neue Webseite stößt auf Interesse. Von den angepeilten 35.000 bis 50.000 Euro wurden in der ersten Woche schon knapp 10.000 Euro gespendet. Alles läuft also wie geschmiert? Mehr oder weniger. Geringe Mittel und prekäre Arbeitsbedingungen stellen das Projekt vor permanente Herausforderungen.

Ihre Ursprünge hat die ak in der Zeitung »Arbeiterkampf«, dem 1971 erstmals herausgegebenen Blatt der westdeutschen linksradikalen Organisation »Kommunistischer Bund«. Die Auflage lag damals bei um die 20.000 Exemplaren. 1991 spaltete sich die Organisation an der Bewertung der Wiedervereinigung und ihrer Folgen. Die Mehrheitsfraktion formte aus dem »Arbeiterkampf« die Debattenzeitung »Analyse und Kritik«, die Minderheitsfraktion gründete die antideutsche - und mittlerweile nach rechts abgedriftete - Zeitschrift »Bahamas«. Anfang der 2000er Jahre lag die Auflage der ak bei nur noch 2500 Ausgaben. Die notwendige Verjüngung des Teams sorgte für weitere Reibung.

Im Jahr 2016 waren die internen Probleme so schwerwiegend, dass befreundende Redaktionen die März-Ausgabe übernahmen, damit das Kollektiv seine Konflikte klären konnte. In einer Mitteilung an die Leser sprach die Redaktion von »starken Abhängigkeiten von (älteren) Einzelpersonen«, »Beharrungskräften«, »Machtkämpfen« und »erheblichen Widerständen« gegen eine Neuorganisierung. Im Zuge der »Generationenübergabe« stiegen jüngere und ältere Mitarbeiter aus, neue kamen dazu. Heute sind die sieben Redakteure zwischen 28 und 67 Jahre alt. Co-Geschäftsführer Jan-Ole Arps betont gegenüber »nd«, dass sich strukturell die Situation mittlerweile verbessert habe. »Wir sind schon viel stabiler als vor drei Jahren«, so Arps. Die Entscheidungswege habe man transparenter gemacht.

Im Alltag bleibt derweil eine der größten Herausforderungen die eigene Prekarität. Die insgesamt elf festen ak-Mitarbeiter verdienen wenig Geld, freie Autoren schreiben unentgeltlich für die Zeitung. Die meisten Kollektiv-Mitglieder verlassen die ak, weil sie einen besser bezahlten Job finden. »Niemand von uns kann vom ak-Gehalt leben, wir machen alle nebenher weitere Jobs«, sagt die Co-Geschäftsführerin Hannah Eberle. Das sei »anstrengend« und bedeute ständiges »Selbst-Managment«. Andererseits sei die ak-Arbeit durch die eigene politische Verwirklichung viel weniger entfremdet als bei anderen Jobs. »Sich auf der Arbeit verstellen oder die eigene Meinung verstecken zu müssen, ist ein wichtiger Grund, weshalb Lohnarbeit so anstrengend ist«, sagt Eberle.

Ein Pluspunkt: Im Vergleich zu anderen Medienunternehmen schreibt die ak nicht nur über Demokratie, sondern lebt sie auch selbst. »Wir entscheiden nicht nur gemeinsam, welche Themen wir bringen und welche politischen Debatten wir führen«, sagt Eberle. Auch alle anderen Entscheidungen wie Einstellungen oder Ausgaben treffe man zusammen. »Es gibt keine Ressortleitung oder Leitungsfunktion und keine finanzielle Abhängigkeit eines Sponsors.« Alle verdienen gleich wenig, gegenseitige Überbietungsversuche gebe es nicht. »Aufstiegsmöglichkeiten gibt es ja eh keine«, so die Geschäftsführerin.

Der Anspruch der ak ist es primär, einen politischen Mehrwert für die sozialen Bewegungen zu schaffen. Damit sie dieses Ziel langfristig erfüllen kann, wird sie um eine stärkere Präsenz im Netz nicht herumkommen. Das braucht jedoch Geld. »Wir hoffen sehr, dass wir in den nächsten Jahren mehr personelle und finanzielle Ressourcen haben, um häufiger von vor Ort zu berichten, aktuelle Einschätzungen zu liefern, mehr mit Videos zu arbeiten«, sagt Eberle. Falls das aktuelle Crowdfunding scheitere, würde es schwierig werden, diesen Weg zu beschreiten. Und davon profitiere letztlich die Gegenseite. »Linke Medien müssen im Netz nachholen, sonst bestimmt die Rechte, über was gesprochen wird.«

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