Slowenische Fiesta in Spanien

Primoz Roglic und Tadej Pogacar werden Erster und Dritter der Vuelta und holen drei der vier Wertungstrikots

  • Tom Mustroph, Madrid
  • Lesedauer: 4 Min.

Primoz Roglic ist ein eher trockener Typ. Als er am späten Sonntagabend in Madrid gefragt wurde, was der größte Unterscheid zwischen dem Roglic ist, der im Mai noch den Giro d’Italia verloren hatte, und dem, der jetzt die Vuelta gewann, sagte er nur: »Jetzt steht da, dass ich die Vuelta gewonnen habe.« Pragmatisch und auch in Worten sparsam ist dieser Aufsteiger des Radsports. Die ganzen drei Wochen über war er voll fokussiert auf das Rennen und hatte mit emotionalen Momenten geradezu gegeizt.

Nur ein kleines Lächeln hatte er im Gesicht, als feststand, dass ihm diesen Rundfahrerfolg niemand mehr nehmen konnte. Fast ohne erkennbare Zeichen der Freude überquerte er am Sonnabend das Ziel auf der Plataforma de Gredos im Nationalpark der gleichnamigen Sierra westlich von Madrid. Nur als Tagesfünfter kam er dort an, fast zwei Minuten hinter Tadej Pogacar. Sein erst 20-jähriger Landsmann rückte dank seines Etappensieges wieder auf Gesamtrang drei vor. Vermutlich freute sich Roglic auch darüber. Denn Pogacars Attacke half ihm sehr, führte sie doch dazu, dass seine ärgsten Rivalen sich nun selbst um die Nachführarbeit zu kümmern hatten. Roglic hingegen, zu diesem Zeitpunkt bereits ohne eigene Helfer, konnte Kraft sparen und kontrolliert das Rennen nach Hause fahren.

Schlüsselmoment dieser Spanienrundfahrt war die perfekte Harmonie der beiden Slowenen. Schon auf der 13. Etappe waren sie gemeinsam der Konkurrenz enteilt. Roglic baute da seinen Vorsprung gegenüber Alejandro Valverde, Miguel Angel Lopez und Nairo Quintana entscheidend aus und überließ Pogacar den Etappensieg - der junge Bursche hatte ja auch mehr Führungsarbeit geleistet. Auf der 20. Etappe waren sie am Sonnabend zwar getrennt unterwegs, profitierten aber ebenso voneinander. Am grünen Tisch ausbaldowert war das alles nicht unbedingt. Es konvergierten lediglich die Interessen. Denn Pogacars Attacken waren noch nicht gefährlich für Roglic, der konnte sich auf seinen Vorsprung aus dem Einzelzeitfahren verlassen.

Das Szenario war also perfekt - und die Beute beachtlich. Roglic holte neben dem Roten Trikot des Gesamtsiegers auch das grüne Punktetrikot. Pogacar schlüpfte ins weiße Leibchen des besten Jungprofis und durfte sich neben Platz drei im Klassement noch über drei Etappensiege freuen. Angesichts dieser Bilanz muss der ehemalige Skispringer Roglic vielleicht sogar froh darüber sein, den letzten Rundfahrtsieg errungen zu haben, den Pogacar noch zuließ. Denn der 20-Jährige bricht aktuell alle Jungspund-Rekorde. Im Mai holte er die Kalifornienrundfahrt. Der Sieger im Jahr zuvor hieß Egan Bernal, damals 21 Jahre alt. Dem Kolumbianer gelang dann mit dem Erfolg bei der diesjährigen Frankreichrundfahrt bei seiner zweiten Grand Tour gleich ein Sieg. Pogacar gelang nun schon bei seiner ersten großen Rundfahrt der Sprung auf das Podium.

Der Konkurrenz bleibt bei einer solchen Entwicklungskurve nur das Staunen. »Ich freue mich, dass ich schon bei der Algarverundfahrt dabei war und dort den ersten großen Sieg dieses jungen Talents erleben durfte. Es ist immer schön, wenn ein neuer Stern aufgeht«, sagte Christian Pömer, Sportlicher Leiter beim Profiteam Bora-hansgrohe, gegenüber »nd«. In der Algarve hatte Pogacar an seinem erst neunten Renntag unter den Profis bereits den ersten Sieg errungen und wenig später auch das Gesamtklassement klar gemacht.

An Landsmann Roglic und auch an Altmeister Alejandro Valverde kam Pogacar in diesem Jahr dennoch nicht vorbei. Roglic war ihm - und allen anderen - vor allem im Zeitfahren überlegen. Ausschlaggebend war auch, dass der 29-jährige Slowene - im Gegensatz zum Giro, den er in der dritten Woche noch verlor - seinen Formhöhepunkt weiter nach hinten verschieben konnte. »In den Giro sind wir zu heiß gegangen. Daraus haben wir gelernt«, sagte Roglic’ Teamkollege George Bennett zu »nd«. Schon vor der Italienrundfahrt hatte Roglic Bestform - und war dort in der ersten Woche der Dominator. Danach baute er ab. Zur Vuelta kam er aus dem Trainingslager - ohne direkte Rennvorbelastung. Seine stärkste Woche in Spanien war die zweite, mit dem Zeitfahrsieg und dem Bergduett mit Pogacar. Nach dem ersten slowenischen Sieg bei einer Grand Tour wurde er dann doch noch etwas emotional: »Vielen Dank an meine Familie für ihre Unterstützung. Und an alle Menschen, die an dieser enormen Leistung beteiligt sind.«

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