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Wunderbar torlos
Borussia Dortmund entzaubert zum Start der Champions League den FC Barcelona - mit einem Manko
Auf den ersten Blick waren die Emotionen, die Marco Reus nach dem höchst unterhaltsamen 0:0 von Borussia Dortmund gegen den FC Barcelona erfüllten, nicht erkennbar, als er gegen Mitternacht seinen Kapitänspflichten nachkam. In verschiedenen Gesprächsrunden erläuterte er seine Gedanken zu diesem ersten Spiel der neuen Champions-League-Saison.
»In der ersten Halbzeit haben wir uns nicht so viel zugetraut«, erklärte der Nationalspieler zum Beispiel. Nach der Pause bescherte der BVB seinem Publikum dann aber eine ganz wunderbare Europapokalnacht: spannend, hochklassig, intensiv. »Ich weiß nicht, was man besser hätte spielen können als in der zweiten Halbzeit. Außer, dass wir das Tor machen müssen«, sagte Reus. Innerlich dachte er aber wahrscheinlich: »Außer, dass ich ein Tor machen muss!« Der Angreifer hatte drei hervorragende Abschlussoptionen vergeudet, überdies einen Elfmeter verschossen - viel spricht dafür, dass diese persönliche Bilanz schmerzte, an ihm nagte, zehrte. Jedenfalls formulierte er mehrfach diesen Satz, mit dem man sich in der Regel über besonders schwere Augenblicke hinwegtröstet: »Ich weiß schon, dass es schlimmere Sachen im Leben gibt, die ich erlebt habe.«
Reus nimmt seine Kapitänsrolle sehr ernst, er spürt die Verantwortung. Natürlich wusste er, dass er eine sehr gelungene Kollektivleistung nicht in den Sieg verwandelt hatte, den seine Mannschaft sich eigentlich verdient hatte. »Es tut weh, und es wird auch heute Nacht noch weh tun«, sagte er. Aber niemand machte ihm Vorwürfe. Es ist zwar ein Ärgernis, diese Chance verpasst zu haben, aber noch hat der Fauxpas keine dramatischen Konsequenzen.
Und wie es so ist: Wo eine tragische Figur unterwegs ist, gibt es meist auch einen Helden - am Dienstagabend war es Marc-André ter Stegen. Vor dem Elfmeter hatte der Deutsche im Tor des FC Barcelona alle Kniffe der Torwartkunst für solche Momente zur Anwendung gebracht: Er hatte den Schuss lange herausgezögert, was erwiesenermaßen die Wahrscheinlichkeit eines Fehlversuches erhöht. Er hatte Reus irritiert, gezappelt, und er befand sich beim Schuss weit vor der Torlinie, was eigentlich ein Regelbruch ist. Doch offenbar nehmen die Schiedsrichter diese Vorschrift in der Champions League nicht so genau, ähnlich wie in der Bundesliga, wo ganz offiziell eine gewisse Kulanz für solche Fälle angeordnet wurde. »Das war ein sehr, sehr schweres Spiel, ich glaube, dass das heute in Ordnung ist, wie es gelaufen ist«, sagte Barcelonas Torhüter, der noch in fünf, sechs weiteren Situationen exzellent reagiert hatte.
Und so war dieses erste Gastspiel des katalanischen Superklubs im Westfalenstadion zu einem Spektakel jener Spieler geworden, die unter einer gewissen Geringschätzung von Bundestrainer Joachim Löw leiden. Auf der einen Seite ter Stegen, der in seinem Bestreben, zur Nummer Eins des Nationalteams zu werden, einfach nicht an Manuel Neuer vorbei kommt und sich öffentlich darüber beklagt. Und auf der anderen Seite Mats Hummels, der Anfang des Jahres wohl für immer aus dem Kreis der DFB-Elf ausgeschlossen wurde. Der 30 Jahre alte Innenverteidiger agierte fehlerfrei - die Statistiker bescheinigten ihm sogar eine Quote von 100 Prozent gewonnenen Zweikämpfen. Hummels selbst korrigierte diesen Wert später: »Das kann nicht stimmen, ich weiß mindestens einen Zweikampf, den ich im Sechzehner gegen Luis Suárez verloren habe«, sagte er.
Beeindruckt waren trotzdem alle. Dortmunds Trainer Lucien Favre fand die Leistung seines Abwehrchefs »unglaublich«. Diese Aura der Unbezwingbarkeit, die Hummels an diesem Abend ausstrahlte, ist ein Element, das der Borussia in der vergangenen Saison noch gefehlt hatte. Der Weltmeister hatte schon in den ersten Partien dieser Saison recht gut gespielt, doch erst auf diesem Niveau wurde er zu einem zentralen Faktor. An Hummels konnte sich der in der Anfangsphase noch verunsicherte Manuel Akanji aufrichten, Raphael Guerreiro spielte eine prachtvolle Partie als Linksverteidiger - die Defensivarbeit aller Dortmunder war von einer ausgewogenen Mischung aus Klarheit und Hingabe geprägt. »Ich gehe mit dem Gefühl nach Hause, zwei Punkte verloren zu haben«, sagte Hummels zum Abschied, während die Gäste aus Spanien sich über einen eher glücklichen Punkt freuten.
Das Tempo und die Beharrlichkeit der Dortmunder Borussia hatten jedenfalls auch Ernesto Valverde beeindruckt. »Die Dortmunder waren sehr gefährlich, das muss ich zugeben. Wir mussten sehr viel leiden«, sagte der Trainer des FC Barcelona. »Normalerweise sind wir das Team, das die großen Möglichkeiten herausarbeitet, heute war es aber Borussia Dortmund. Danke an Marc-André ter Stegen für seine Paraden.«
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