Partner in jeder Lage

Roberto J. De Lapuente über industriehörige Minister, mit denen ein SUV- und Dieselverbot unmöglich ist

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer will Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) schon widersprechen? Natürlich ist unsere Republik ein »Schnarchland«. Selbst in der mongolischen Wüste gibt es Handyempfang. Bei uns dagegen können schon an der nächsten Laterne die Lichter der Allerreichbarkeit ausgehen. Längst benötigte Investitionen im öffentlichen Sektor schiebt man seit Jahren vor sich her. Der Nahverkehr fährt auf Verschleiß. Personalknappheit in Pflege und Bildung versanden in einer Versorgungswüste. Sparen heißt die Devise. Neu ist das nicht.

Blöderweise meinte Kempf das alles gar nicht. Es ging ihm am Rande der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), als er »Spiegel Online« ein Interview gab, eigentlich nur um das Automobil, speziell um den heißesten Scheiß der Branche - das SUV. Da würde man nämlich pennen in Deutschland. Nicht, weil man diese gigantischen Kreuzer, die in engen Straßenschluchten zu viel Platz beanspruchen und dabei mächtig Dreck fabrizieren, immer noch baut, obwohl langsam ein klimatisch bedingtes Umdenken stattfinden müsste. Nein, der Herr Präsident sorgt sich um die schlechte SUV-Laune im Lande: »Wenn jeden Tag eine neue Hiobsbotschaft als Idee verbreitet wird - von Diesel-Fahrverboten in Innenstädten bis zu SUV-Fahrverboten - wundere ich mich nicht, dass inländische Kunden verunsichert sind und sich beim Kauf im Moment zurückhalten.«

Nun ist klar, dass der Mann die Industrie vertritt und nicht als der Anwalt des globalen Klimas agiert. Er will schönfärben, beeinflussen und verkaufen. Dass Kempf aber mehr oder weniger all denen, die eine Verkehrswende für unabdingbar halten, Schlafmützigkeit attestiert, bloß der deutschen Automobilindustrie nicht, die den Trend ordentlich verpennt hat, spricht Bände über die Arroganz deutscher Wirtschaftsbarone.

Man muss allerdings fair bleiben: Denn nicht nur die Industrie hat es vergeigt. Mit ihr in Unfähigkeit vereint stümperte die herrschende Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Sie hat über Jahrzehnte einen falschen Trend gestützt, nicht gegengesteuert oder auch nur zaghaft reguliert. Im Gegenteil: Herrschende Politiker haben kriminelle Machenschaften gedeckt und heruntergespielt. Sie haben schlicht Arbeitsverweigerung betrieben.

Hierzu kommt: In den vergangenen Jahren wurden unfähige Politiker - stets aus dem BMW- und Audi-Süden des Landes - ins Bundesverkehrsministerium kooptiert. Männer, die passioniert ohne Weitblick durch die Welt gehen, die dafür aber ganz nah am Takt der Industrie horchen. Ministerlobbyisten, die Mautverträge trotz fehlender Mautrechtslage einfädelten. Typen, die lieber Steuermilliarden verschwenden, als auch nur einmal mit einer Autoindustrie zu hadern, die jegliche Realität im Feinstaub verloren hat. Politiker, die nicht mal für ein Tempolimit zu haben sind.

Doch an sie richtet der BDI-Präsident seine Kritik nicht. Er sorgt sich eher um Leute wie Donald Trump oder Boris Johnson, diese unkalkulierbaren Politikertypen, die Handelskriege auslösen und nicht immer einknicken, wenn sogenannte Sachzwänge die Politik zur Hörigkeit treiben. Nicht, dass der US-Präsident ein Antikapitalist wäre. Aber wenn er sich um den Verstand twittert, schiebt er schon mal die Interessen des eigenen Wirtschaftsstandortes beiseite. Das ist der Alptraum jedes Industriehauptmannes.

Vor diesen Leuten fürchtet sich Dieter Kempf. Die Unkalkulierbaren, die heute so und morgen so handeln und die vielleicht nicht immer ganz Ohr sind, wenn der industrielle Komplex mit seiner falschen, aber einträglichen Produktionsmaschinerie etwas zur Sprache bringt: Mit ihnen ist der »Weiter so«-Kurs in Gefahr. Trumps einfältiger Rassismus, seine sexistischen Ausfälle, dieser seltsam-prüde Isolationismus: Das kann die Industrie deichseln. Nur zuverlässig müssen Politiker bleiben. So wie Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt seinerzeit. Und so wie sein Amtsnachfolger Andreas Scheuer (beide CSU) momentan.

SUV-Verbote, Diesel-Regulierungen oder autofreie Stadtkerne werden sie nicht durchsetzen. Zuverlässig. Mit ihnen kann die Industrie kalkulieren. Sie kann man führen, anleiten, verpflichten. Es ist der Politikertyp, an den sich die Industriebosse gewöhnt haben. Er ist ein verlässlicher Partner in jeder Lage.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Mehr aus: Der Heppenheimer Hiob