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Verkapptes Schuldeingeständnis
Gericht in Tokio sprach Tepco-Manager frei - der Konzern bleibt aber in der Pflicht
Die obersten Chefs des Atomkraftwerks von Fukushima Daiichi traf also keine Schuld im Zusammenhang mit dem Super-GAU: Tsunehisa Katsumata, Ichiro Takekuro und Sakae Muto, Topmanager von Japans größtem Stromversorger Tepco, wurden vom Bezirksgericht Tokio am Mittwoch vom Vorwurf der Fahrlässigkeit freigesprochen. Sie hätten das große Erdbeben vom 11. März 2011, der einen riesigen Tsunami auslöste, der dann wiederum das Atomkraftwerk zerstörte, nicht vorhersehen können, hieß es zur Begründung. Deshalb könne man ihnen die letztlich mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen auch nicht zum Vorwurf machen.
Wie erwartet sorgt das Urteil für Kontroversen im ganzen Land. Schließlich musste damals durch die Katastrophe die Bevölkerung im Umkreis von 30 Kilometern um die Kraftwerksruine evakuiert werden; bis heute können Zehntausende nicht in ihre Heimat zurückkehren. In der Präfektur Fukushima tritt seither Schilddrüsenkrebs unter Kindern auffallend häufig auf. Arbeiter, die sich an den Katastrophentagen für die nationale Sicherheit opferten und im Kraftwerkskomplex blieben, starben später an Krebs.
Vor dem Gebäude des Bezirksgerichts in der Hauptstadt Tokio hielten Demonstranten nach dem Urteil Schilder in die Luft, am häufigsten zu lesen war: »Alle unschuldig - ungerechtes Urteil«. Ungerecht hatten es weite Teile der Öffentlichkeit zuvor schon empfunden, dass zunächst gar keine Anklage gegen die drei Tepco-Chefs geplant war. Erst auf eine Bürgerinitiative hin wurde das Verfahren erzwungen. Das Urteil passt auf den ersten Blick auch nicht zu einer Bewertung des japanischen Parlaments aus dem Jahr 2012, die die Katastrophe als von Menschen verursacht bezeichnete. Wer trägt Verantwortung, wenn nicht die Bosse des Kraftwerksbetreibers?
Die Verteidigung führte an, dass sich Erdbeben nur schwer und kurzfristig vorhersagen lassen. Dabei ist bekannt, dass Japan durch seine geologische Lage besonders anfällig für Erdbeben ist und dass diese Tsunamis verursachen können, so dass direkt an der Küste gelegene Atomkraftwerke in besondere Gefahr geraten können. Hinzu kommt, dass sich die Tepco-Führung über längere Zeit gegen allzu scharfe Sicherheitsvorschriften gewehrt hatte. Der Parlamentsbericht von 2012 befand daher, dass das Desaster auch ein Ergebnis von Klüngel zwischen Regierung, Kontrollbehörden und dem Kraftwerksbetreiber Tepco war. Eigentlich hätte das Versäumnis, das Kraftwerk besser gegen Erdbeben und Überschwemmungen zu schützen, schon lange der Katastrophen verfolgt werden können.
Umso verständlicher erscheint die Kritik vieler Bürger, die sich nun von der Justiz im Stich gelassen fühlen. Immerhin: »Das Urteil bedeutet nicht, dass Tepco als Unternehmen von seiner Pflicht zu Wiedergutmachung entbunden ist«, sagte der Anwalt der Kläger, Tsutomu Yonekura. Er hatte fünf Jahre Gefängnis für die drei Angeklagten gefordert.
Bei Tepco scheint man unterdessen verstanden zu haben, dass nicht Beschwichtigung, sondern eher Demut einen Weg zur Aufbesserung des arg beschädigten Images ebnen könnte. Nach dem Atomunfall wurde in Japan der Strommarkt liberalisiert, so dass heute nicht mehr regionale Monopolisten die Haushalte versorgen, sondern Konsumenten ihren Anbieter auswählen können. Auch wenn Tepco weiterhin Marktführer in der Region um Tokio ist, steht der Konzern jetzt damit nicht nur noch deutlicher unter öffentlichem, sondern auch wirtschaftlichem Druck.
Indes kommentierte der Konzern den Ausgang des Prozesses nicht. Stattdessen bat man alle Opfer einmal mehr um Verzeihung und kündigte für die Zukunft das an, was ja eigentlich Gegenstand des Prozesses war: Man werde nun alle Anstrengungen bündeln, um die Sicherheitsstandards von Atomkraftwerken zu erhöhen. Nicht wenige Japaner werden das als verkapptes Schuldeingeständnis verstehen.
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