Schlampiger Start

Bayer Leverkusen schenkt Lokomotive Moskau trotz Überlegenheit einen Auswärtssieg

  • Andreas Morbach, Leverkusen
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Aufenthalt in slowakischen Wäldern kann ganz schön gefährlich werden, seit diesem Sommer weiß das auch Lukas Hradecky. In der Sommerpause war Leverkusens Torwart zu Besuch in seiner Heimatstadt Bratislava, als er bei einem Soloausflug ins Grüne einem ausgewachsenen Bären begegnete. Der hungrige Waldbewohner mit den scharfen Zähnen sei nur 100 Meter von ihm entfernt gewesen. »Da habe ich drei, vier Minuten aber echt Vollgas gegeben«, erzählte Hradecky - der am Mittwochabend auch gern aus dem Leverkusener Fußballstadion geflohen wäre.

Beim Start der Werkself in die Champions League fabrizierte der 29-Jährige gegen Lokomotive Moskau einen hochgradig seltsamen Pass vor die Füße von Dmitri Barinow - nach dem er nur noch hoffen konnte, der Mittelfeldspieler der Russen werde dieses Prachtgeschenk vor lauter Schreck ignorieren. Tat Barinow aber nicht, stattdessen hob er den Ball geistesgegenwärtig aus 25 Metern ins Netz. Acht Minuten vor der Pause bedeutete dies das 2:1 für Lokomotive - was später auch dem Endstand entsprach.

Bei der vermeintlich leichtesten Aufgabe in der Gruppe sind die Rheinländer also glatt durchgefallen. Und ein Blick auf die weiteren Gegner Juventus Turin und Atlético Madrid lässt erahnen, dass Bayer den ambitionierten Wunsch, in der Königsklasse zu überwintern, wohl schon jetzt vorsichtig abheften kann. Bei der mittlerweile neunten Teilnahme des Klubs an der Champions League wäre es erst das zweite Mal, dass das Achtelfinale verpasst wird. »Dann müssen wir eben an anderer Stelle für eine Überraschung sorgen«, sagte Sportdirektor Simon Rolfes trotzig. Ähnlich verfuhr Cheftrainer Peter Bosz, indem er erwähnte: »Normalerweise hätten wir heute drei Punkte holen müssen. Das haben wir nicht getan - deshalb müssen wir jetzt Punkte holen, wo es keiner von uns erwartet.«

Den Start in das neueste internationale Kapitel fand Pannenpassgeber Hradecky verständlicherweise »nicht schön«. Der finnische Nationaltorhüter slowakischer Herkunft entschuldigte sich bei den Mannschaftskollegen, rügte seine »schlampige« Aktion, warnte jedoch zugleich: »Es wird nicht mein letzter Fehler gewesen sein.« Ehe er abschließend noch die frisch gewonnene Europapokalweisheit präsentierte: »Champions League ist kein Spaziergang im Park.«

Übungsleiter Bosz nahm Hradeckys Fauxpas zunächst zum Anlass, an zahlreiche zurückliegende Rettungstaten des Keepers zu erinnern. Der 55-jährige Niederländer kritisierte allerdings auch sehr direkt: »Normalerweise muss er den Ball zur gleichen Farbe spielen, nicht zum Gegner. Lukas spielt sonst saubere Pässe, aber das war ein großer Fehler.«

Wirklich bedenklich wurde die Niederlage dadurch, dass auch die erste Führung der Moskauer auf recht läppische Art (nach einem Einwurf) zustande gekommen war. Zudem musste der langjährige Schalker Benedikt Höwedes der Bosz-Elf per Eigentor zu deren einzigem Treffer verhelfen. Bayers hochgelobte Offensive ging zum dritten Mal in Folge leer aus. Kein Zufall, denn in Sachen Tordrang legten die Leverkusener zuletzt eine fatale Beliebigkeit an den Tag.

Vor knapp drei Wochen gegen Hoffenheim (0:0) schwangen sie sich zu schwindelerregenden 19:0 Ecken, 20 Torschüssen, aber nur wenigen klaren Chancen auf. Vor sechs Tagen beim 0:4 in Dortmund schraubte der Vorjahresvierte seine berühmt-berüchtigte Ballbesitzquote sogar auf 66 Prozent, lebte diese optische Überlegenheit jedoch fast ausschließlich in den ungefährlichsten Zonen des Spielfeldes aus. Gegen den russischen Vizemeister offenbarte das Team nun erneut eine beachtliche Ballhoheit (69 Prozent). Ins Schwitzen brachten die Gastgeber aber auch Moskaus Schlussmann Guilherme dabei selbst in der besseren zweiten Halbzeit so gut wie nie.

Die Murmeltiertage unter dem Bayer-Kreuz häufen sich gerade - und schon beim Besuch von Aufsteiger Union Berlin am Sonnabend droht eine Fortsetzung. »Wenn wir nicht die letzten Lösungen finden«, schwant Hradecky jedenfalls, »könnte es wieder genau so kommen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.