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Glitzern und Gleißen

Beim ersten Höhepunkt der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Doha dominieren die schnellen Amerikaner

Wo man in einem Leichtathletikstadion sitzt, ist für den Verlauf eines WM-Abends von immenser Bedeutung: Im Khalifa International Stadion sind bisher an jedem Wettkampftag eine Menge der landesfarbenen Sitze in Dunkelrot und Weiß frei geblieben, weswegen in Doha über Stunden ein recht munteres Plätzewechseln zu beobachten ist. All jene, die sich am späten Samstagabend dann in der Südkurve niederließen, weil die 100-Meter-Läufer dort ankommen, brachten sich selbst um die Inaugenscheinahme der besten Konkurrenz des Tages: Weitsprung der Männer. Die Grube der Weitspringer liegt in der Nordkurve des Nationalstadions.

Allgemein wurde erwartet, dass sich der Kubaner Juan Miguel Echevarría durchsetzen würde, war der 21-Jährige im März doch beinahe bis an die 9-Meter-Marke herangesprungen: 8,92 Meter - allerdings bei zu starkem Rückenwind von 3,3 Meter pro Sekunde. In Doha aber kam dann ein anderer ganz groß raus: Tajay Gayle aus Jamaika, dessen vierter Versuch zu einem wahren Weitsprung geriet. Bei 8,69 Meter setzte er seine Marke in den korrekt geharkten Sand des Wüstenemirats. Die Nordkurve jubelte. Es fehlten ja auch nur 26 Zentimeter zum Fabelweltrekord des US-Amerikaners Mike Powell aus dem Jahr 1991. In den letzten zehn Jahren war niemand mehr so weit gesprungen bei regulären Windverhältnissen.

Mit seinem Satz schaffte es der Jamaikaner in die Top Ten der besten Resultate aller Zeiten. »Es war ein perfekter Sprung«, freute sich Gayle. »Nun bin ich der erste, der meinem Land Gold im Weitsprung schenkt.« In Echevarrías Heimat hingegen dürfte Enttäuschung über das fehlende Goldgeschenk geherrscht haben: Der Kubaner wurde mit 8,34 Metern sogar nur Dritter hinter Jeff Henderson aus den USA, der fünf Zentimeter weiter gesprungen war.

Dann aber das Highlight: Kurz vor dem Sprint der Männer über 100 Meter wurde es im Stadion dunkel. Mit einer aufwendigen Lichtshow wurde die Bahn illuminiert, das Konterfei jedes Finalisten wanderte samt Namenszug über das Tartan. Die acht schnellsten Männer der Welt standen an der Startlinie, und erstmals seit anderthalb Jahrzehnten war Jamaikas Fabelweltrekorder Usain Bolt nicht unter ihnen. Aber: The show must go on. Und der US-Amerikaner Christian Coleman legte einen bewundernswerten Start-Ziel-Sieg hin - mit Jahresweltbestleistung von 9,76 Sekunden ließ er seinen Landsmann und Titelverteidiger Justin Gatlin (9,89 s) und den Kanadier Andre de Grasse (9,90 s) hinter sich.

Türkische Mandeln
Die Leichtathleten suchen in Katar ihre Weltmeister, 2022 folgen die Fußballer. Jirka Grahl schaut sich im Emirat um.

Ein Sieg, der den Herrschaften auf der VIP-Tribüne gleich wieder aufzeigte, auf welch dünnem Eis sie mit ihrem Spektakel und all den Lichteffekten, Megascreens und Feuerwerks-Fontänen wandeln. Hinter dem Gleißen und Glitzern liegt noch immer Vieles im Verborgenen: Gatlin war schon zweimal dopinggesperrt, und auch Goldmedaillengewinner Coleman hätte normalerweise nicht dabei sein dürfen, da er zuletzt dreimal bei Dopingtests nicht angetroffen worden war. Allein ein Formfehler der US-Antidopingagentur USADA hatte ihm überhaupt zu seinem Start in Doha verholfen. Den Sieg in Doha konnte Coleman umso mehr genießen. Er schwärmte vom »unglaublichen Talent«, mit dem er gesegnet sei, und wie »unglaublich hart« er gearbeitet habe. »Jetzt habe ich mich in der Liste der ganz Großen eingereiht.«

Neu in der Riege der großen Titelträger ist seit dem Wochenende auch die Niederländerin Sifan Hassan. Die 26-Jährige aus Eindhoven, die ebenso wie die deutsche Medaillenhoffnung Konstanze Klosterhalfen in Oregon trainiert, lief ein famoses 10 000-Meter-Rennen gegen die drei Kenianerinnen und drei Äthiopierinnen, die sich mit ihr an die Spitze des Feldes gesetzt hatten. Auf der letzten von 25 Runden rannte Hassan allen auf und davon - Gold in 30:17,62 Minuten. Nach zweimal WM-Bronze über 1500 Meter 2015 und 2017 war endlich der Titel geschafft, und das gleich im zweiten 10 000-Meter-Lauf, den sie überhaupt jemals absolviert hat. Fröhlich spazierte die in Äthiopien geborene Läuferin, die mit 15 als Flüchtling in die Niederlande gekommen war, anschließend durch das klirrend kalte Mixed-Zone-Zelt. Bester Laune gab sie Interviews auf Holländisch, Englisch und Amharisch: »Ich bin sehr, sehr glücklich«, wiederholte sie immer wieder.

Und die Deutschen? Beim Hitze-Marathon in der Nacht von Freitag zu Samstag war der Deutsche Leichtathletik-Verband gleich gar nicht vertreten, als bei 32,7 Grad und 73 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit nur 40 von 68 Läuferinnen überhaupt ins Ziel kamen. Allein die Berlinerin Mayada Al Sayad lief mit. Sie startete für das Land ihres Vaters, Palästina, und wurde Vorletzte. Auch sonst waren die Deutschen in den ersten Finals der WM nicht vertreten, nicht mal im Hammerwerfen der Frauen.

Am Samstag gab es auch die erste große Enttäuschung aus den Reihen des 71-köpfigen Teams: Diskuswerfer Christoph Harting, Olympiasieger von 2016, scheiterte bereits in der Qualifikation mit Würfen auf nur 60,31, 62,04 und 63,08 Meter. Woran es lag, war nicht herauszubekommen. Der kauzige Berliner redet nicht mit jedem, schon gar nicht mit Reportern: »Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Interesse an meiner Person, aber ich bleibe meine Linie treu und gebe bis zu den Olympischen Spielen in Tokio keine Interviews«, sagte er und stapfte davon.

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