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Viele Flüchtlingsfrauen wollen arbeiten: »Nicht zu Hause auf den Mann warten«
Integration ist für Frauen mit Kindern schwieriger
Frankfurt a.M. Zaynab Mahmoud lebt seit sechs Jahren in Frankfurt am Main. Im kommenden Sommer sollen ihre vier Kinder in die Kita oder die Schule gehen, sagt die 30-jährige Muslima, die aus Somalia nach Deutschland geflohen ist. Sie will dann eine Ausbildung machen und anschließend halbtags arbeiten. »Ich will nicht zu Hause auf meinen Mann und die Kinder warten, ich will etwas tun.«
Auch Mozhgan Noorzai will unbedingt arbeiten. Die 26-Jährige floh vor vier Jahren aus Afghanistan nach Deutschland, weil in ihrem Heimatland die Fahrt zur Arbeit zu gefährlich war. Eine Taliban-Gruppe nahm eine ihrer Kolleginnen genau auf dieser Strecke fest und hielt sie eine Woche lang gefangen, sagt Noorzai. »Mein Ziel war es, irgendwohin zu gehen, wo ich arbeiten kann.«
Viele geflüchtete Frauen sind motiviert zu arbeiten, wie aus einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit von 2017 hervorgeht. Darin gaben 88 Prozent der befragten Frauen aus den acht Hauptherkunftsländern wie Syrien, dem Irak und dem Iran an, in Deutschland »vielleicht« oder »sicher« einen Job finden zu wollen.
Aktiv nach einem Job gesucht hatten allerdings nur neun Prozent der Frauen. Tatsächlich arbeiten bislang nur wenig geflüchtete Frauen. Während im Oktober vergangenen Jahres laut IAB 41 Prozent der Männer aus den Hauptherkunftsländern einer Erwerbsarbeit nachgingen, waren es bei den Frauen nur 13 Prozent.
Fast drei Viertel der geflüchteten Frauen sind Mütter, von den Männern haben nur 25 Prozent ein Kind, sagte der Leiter des Bereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung beim IAB, Herbert Brücker, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Oft versorgten die Frauen zwei oder drei Kinder. Die Hälfte der Kinder sei jünger als drei Jahre. »Die meisten Frauen sind mit ihrem Partner oder Ehemann gekommen oder ihnen später gefolgt«, erklärte er.
Die Somalierin Mahmoud kam zwei Jahre nach ihrem Ehemann nach Deutschland - mit ihrem zweijährigen Sohn. In Deutschland bekam sie drei weitere Kinder. An Erwerbsarbeit war da nicht zu denken. »Ich hatte nur meine Muttersprache. Ich musste erst Deutsch lernen«, sagt sie. Die Afghanin Noorzai hatte da einen klaren Vorteil: Sie kam ohne Kind nach Deutschland, lernte direkt Deutsch und machte eine Ausbildung als Industriekauffrau. Jetzt sucht sie eine Stelle.
»Kinder erschweren die Integration der Eltern in jeglicher Hinsicht«, sagt Brücker. Es werde schwieriger, an Sprachkursen oder Arbeitsmarktprogrammen teilzunehmen - weil nun einmal jemand auf das Kind aufpassen müsse. So waren laut IAB nur sechs Prozent der geflüchteten Mütter im Jahr 2017 in Arbeit. Auch die Männer waren, wenn sie Kinder hatten, mit 20 Prozent deutlich seltener erwerbstätig.
Meist bleibt ein Elternteil zu Hause, um auf die Kinder aufzupassen. Oft falle die Wahl, wer sich um die Kinder kümmere, auf die Frau, sagt Helen Schwenken, Professorin für Migrationsforschung an der Universität Osnabrück. Das habe nichts mit einem veralteten Rollenbild von Mann und Frau zu tun: »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Frau arbeitet.«
Für Arbeitgeber sind aktuell noch Männer die interessanteren Kandidaten. Ihnen helfe die Berufserfahrung aus den Herkunftsländern, sagt IAB-Experte Brücker. Während 75 Prozent der Männer im Herkunftsland gearbeitet hätten, seien es bei den Frauen lediglich 37 Prozent gewesen.
Die Afghanin Noorzai sucht einen Job als Industriekauffrau. Sie ist zuversichtlich, dass sie bald eine Stelle hat. »Ich bekomme jeden Tag neue Stellen vom Jobcenter geschickt«, sagt sie. Mahmoud, die noch vor ihrer geplanten Lehre steht, will bis zum Ausbildungsstart im August kommenden Jahres das Sprachlevel B2 erreichen: »Als Erzieherin muss ich gut Deutsch reden, ich darf keine Fehler machen.« epd/nd
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