Rechtsextreme demonstrieren Einheit

Rund 1000 Nazis, Hooligans und AfD-Anhänger marschierten durch die Hauptstadt / Gegendemonstrationen behinderten den Aufmarsch

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war ruhig geworden um »Wir für Deutschland« (WfD). Doch am Tag der Deutschen Einheit marschierte der Verein um Enrico Stubbe doch noch einmal in Berlin auf. Der bekannte Rechtsextremist meldete am Washingtonplatz in der Nähe des Hauptbahnhofes einen »2. Tag der Nation« an. Rund 1000 Neonazis, Hooligans und Rechtspopulist*innen der AfD kamen aus ganz Deutschland. Überall in der Stadt stießen sie auf Gegendemonstrationen.

»In den letzten Tagen hat sich ein sehr breiter Protest entwickelt«, sagte Ulf Balmer, Projektkoordinator bei »Berlin gegen Nazis«, dem »nd«. Neben Kundgebungen von Anwohner*innen, die schon mehrere Monate geplant wurden, haben auch andere zivilgesellschaftliche Bündnisse kurzfristig Proteste angemeldet. »An der gesamten Aufmarschroute gibt es Kundgebungen«, so Balmer. Fünf Gegenveranstaltungen, darunter auch eine Demonstration aus der Club-Szene unter dem Motto »Splitter & Nackt«, fanden letztlich statt. Die Mobilisierung wurde einzig durch die gleichzeitig stattfindende Demonstration zum Mieten-Deckel erschwert.

Dennoch kamen rund 1000 Menschen zum Friedrichstadtpalast. Anwohner*innen aus Berlin-Mitte haben dort eine Gegenkundgebung in Sicht- und Hörweite der Rechten organisiert. »Wenn die Nazis hier durch unseren Kiez laufen, dann stellen wir uns auch hier hin«, sagte Tina Bonarius dem »nd«. Sie organisiert seit drei Jahren mit einer Initiative Kundgebungen gegen die WfD-Aufmärsche. Anfangs kamen lediglich 300 Personen, im vergangenen Jahr am 3. Oktober waren es schon mehr als 1500 Teilnehmer*innen. Warum sie die »Nazis«, wie sie WfD bewusst nennt, nicht in ihrem Kiez haben will, ist für sie klar: »Das ist ein jüdisches Viertel hier!« Für ihr Gedankengut ist kein Platz dort. Politisch sei es wichtig zu widersprechen, da die Rechte auch parlamentarisch an Boden gewinnt, sagte die Aktive mit Blick auf die Wahl in Brandenburg.

Derweil haben die Rechten am Bahnhof ihre Zelte aufgeschlagen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Sie haben Bierzelt und Hüpfburg aufgebaut, dazu läuft Schlagermusik. Unter schwarz-rot-goldenen sowie schwarz-weiß-roten Fahnen trinkt der eine Hooligan Bier, während der andere Neonazi den kruden Verschwörungstheorien von der Bühne lauscht. Gegen 15 Uhr setzt sich der Marsch unter »Wir sind das Volk« und »Greta muss weg«-Rufen in Bewegung. Das Bild ist geprägt von Männern, die aggressiv am Rande der Demo pöbeln.

Ideologisch fungiert der rechtsextreme Verein WfD als Scharnier verschiedener rechter Strömungen. Am Donnerstag wollten sich beispielsweise Reichsbürger*innen um den Blog »staatenlos.info« nach eigener Kundgebung vor dem Reichstag der Demonstration von WfD anschließen. In der Vergangenheit nahmen Menschen, die eher dem Pegida-Umfeld zuzurechnen sind, aber auch offen nationalsozialistische Gruppen an den Demonstrationen teil. Auf der Bühne am Washingtonplatz sollten neben dem ehemaligen AfD-Funktionär André Poggenburg, der in Sachsen mit seiner eigenen Partei bei der Landtagswahl scheiterte, auch Lisa Licentia, Bloggerin der »Identitären Bewegung«, reden.

Dieses breite Spektrum spiegelt sich allerdings kaum in den Forderungen des Vereins wider. Zwar tritt er vornehmlich auch für einen Mindestlohn und andere soziale Aspekte ein, doch verbindend bei der Demonstration dürfte der Rassismus und der Nationalismus sein.

Ob »Wir für Deutschland« nun wieder zu regelmäßigen Demonstrationen aufrufen wird, ist dagegen unklar. Vergangenen November hatte der Verein zunächst angekündigt, keine öffentlichen Veranstaltungen mehr durchzuführen, nachdem ein Verbot eines Aufmarschs angestrengt wurde, das jedoch am Verwaltungsgericht scheiterte. Nach Einschätzung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin sei der Rückzug nur ein strategischer Schachzug gewesen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, sagte Balmer.

Bis zum Redaktionsschluss war nicht klar, ob die rechte Demonstration bis zum Ende laufen konnte. Antifaschist*innen versuchten mehrfach, die Strecke zu blockieren. Teilweise räumte die Polizei die Straße. Das zeigte: Ganz ohne Widerstand kriegen die Rechten keinen Fuß auf Berliner Boden.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.