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Bahn frei für neue Gesichter
Dina Asher-Smith holt über 200 Meter das erste Sprintgold einer Britin bei WM oder Olympia
Einen Haufen großer Leichtathletinnen und Leichtathleten hat das Team »Great Britain and Northern Ireland« in seiner ruhmreichen Geschichte schon hervorbringen können. Eine Sprintweltmeisterin allerdings gibt es erst seit dem 2. Oktober 2019: dem Tag, an dem Europameisterin Dina Asher-Smith im Khalifa-Stadion ihren Konkurrentinnen über die halbe Stadionrunde auf und davon lief.
Es war ein Sieg der ungefährdeten Art. Schon als die Läuferinnen aus der Kurve kamen, lag die Londonerin in Führung, und danach vergrößerte sie ihren Vorsprung nur noch weiter: 21,88 Sekunden standen am Ende auf der Anzeigetafel, britischer Rekord. Auf dem Silberrang folgte US-Talent Brittany Brown, während sich mit Mujinga Kambundji als Dritte erstmals eine Schweizerin eine Sprintmedaille sichern konnte - eine kleine Sensation. Der Freudenschrei der 27-Jährigen schallte durchs Stadion.
Auch Dina Asher-Smith lief jubelnd ihre Runde, sie posierte mit dem Union Jack und verdrückte ein paar Freudentränen, als ihre Mutter sie auf der Treppe zu den Interviewpositionen der Fernsehsender abfing, wo man begierig auf das neue Laufidol wartete. Nach einem Bussi von der Mutter und einem kurzen Haarerichten ging es weiter: »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, sprach die 23-Jährige, schon wieder mit den Tränen kämpfend in die Mikrofone. »Dieses Gold bedeutet mir wahnsinnig viel.« All die harte Arbeit sei es wert gewesen, nach diesem Abend: »Ich war sehr erschöpft, als ich heute morgen aufwachte, aber ich wusste, es ist meine letzte Chance im Einzel.«
Über 100 Meter hatte Asher-Smith noch Silber hinter der Jamaikanerin Shelly-Ann Fraser-Pryce belegt, doch jene Jamaikanerin hatte von vornherein auf einen Start über die lange Sprintdistanz verzichtet. Weil Titelverteidigerin Dafne Schippers aus den Niederlanden und auch Rio-Doppelolympiasiegerin Elaine Thompson (Jamaika) zuvor verletzt aussteigen mussten, war die Bahn frei für neue Gesichter: Die Schweizerin Kambundji läuft zwar schon seit Jahren in der europäischen Spitze mit, doch bei globalen Wettbewerben hatte sie es bisher nie aufs Treppchen geschafft. Brittany Brown, mit 23 ebenso alt wie die britische Siegerin, gilt als neue Hoffnung des US-Sprints. Und ganz nebenbei bereitete das 200-Meter-Finale auch in einem kleinen westafrikanischen Land große Freude: in Gambia, in dessen Trikot Gina Bass das Finale erreicht hatte und mit 22,71 Sekunden Sechste wurde.
In Großbritannien aber war man erleichtert über die erste Goldmedaille bei den Titelkämpfen in Katar. Asher-Smith’ märchenhafte Karriere wurde daheim erneut nacherzählt: Wie sie schon mit sechs an der Perry Hall Primary School in Orpington (Südlondon) allen Jungs davonlief, wie sie mit acht ihren Trainer John Blackie traf, der sie bis zum Weltmeistertitel begleitet hat. »Mein Trainer John ist wie eine Familie für mich«, schrieb sie über ihn in einer Kolumne. »Viele Leute wundern sich über ihn, denn er ist nicht die Sorte Mensch, die Rampenlicht und Aufmerksamkeit sucht.« Stattdessen ermunterte er Asher-Smith, sich am Londoner King’s College für ein Geschichtsstudium zu bewerben. Seit zwei Jahren studiert die Sprinterin nun an der renommierten Universität.
Zuhause ist man umso mehr entzückt, dass sich die neue Weltmeisterin schon kurz nach ihrem Sieg einem noch größeren Ziel zuwand: »Die Olympischen Spiele sind weniger als ein Jahr entfernt, also haben wir bereits unsere Pläne«, sagte sie. »Es soll eine aufregende Reise werden.« Die Leichtathletikgroßmacht Großbritannien durfte übrigens auch noch nie eine Sprintolympiasiegerin feiern. Seit Mittwoch geht man ziemlich sicher davon aus, dass sich das bald ändert.
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