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  • Juden gegen Abschiebungen

»Wir wissen, was passiert, wenn die große Masse schweigt«

In Newark nahe der Metropole New York demonstrierten 300 jüdische Aktivisten gegen die örtliche Niederlassung der US-Einwanderungsbehörde

  • Max Böhnel, Newark
  • Lesedauer: 3 Min.
Straßenblockade der jüdischen Aktivisten von »Never Again Action« vor einer Einrichtung der US-Abschiebebehörde ICE in Newark, New Jersey.
Straßenblockade der jüdischen Aktivisten von »Never Again Action« vor einer Einrichtung der US-Abschiebebehörde ICE in Newark, New Jersey.

Der Nieselregen und die ersten kühlen spätsommerlichen Temperaturen sind den 300 Aktivisten egal. Am Donnerstagnachmittag sind sie nach Newark, der größten Stadt des US-Bundesstaats New Jersey, gereist und finden sich am 15-stöckigen Peter-Rodino-Hochhaus ein. Es ist kein gewöhnliches Bürogebäude. Denn dort drin, streng abgeschirmt von Polizei, befindet sich die berüchtigte Einwanderungsbehörde Immigration and Customs Enforcement ICE. Auf Transparenten steht »Shut down ICE«, »Save the Children« und »Jews against ICE«. Seit mehreren Monaten organisiert das jüdische Bündnis »Never Again Action« zusammen mit anderen migrantischen Aktivistengruppen zivilen Ungehorsam gegen die US-Abschiebebehörde.

Das Ziel des Bündnisses örtlicher linker Juden besteht darin, Öffentlichkeit herzustellen über die Machenschaften der Behörde »und des politischen Establishments, das die Abschiebungsmaschine am Laufen hält«. Newark ist wie die nahe Metropole New York von Demokraten regiert und eine »Sanctuary City« (deutsch: Zufluchtsstadt) mit Zehntausenden von illegale Migranten. Dennoch sind die Bundesbehörden von US-Präsident Donald Trump präsent. Der 3. Oktober wurde von den Aktivisten für ihren Protest bewusst gewählt. Der Tag liegt zwischen den hohen jüdischen Feiertagen - dem Neujahrsfest Rosch Hoschana und dem Versöhnungsfest Jom Kippur.

Während der zehn Tage verpflichten sich Juden zu Reflexion, Gebet, Reue und Umkehr. »Wir bekennen uns zu dieser traditionellen religiösen Praxis, indem wir uns für unsere immigrantischen Brüder und Schwestern einsetzen, die von Regierungen auf lokaler und nationaler Ebene unfair und gewalttätig behandelt werden«, heißt es im Aufruf zu Protest und zivilem Ungehorsam. Das Rodino-Gebäude ist ein Klotz aus Beton und Glas mit undurchsichtigen Fenstern, davor eine vielspurige Straße. Bei der ICE müssen Migranten ohne Papiere vorsprechen, wenn sie einen Asylantrag stellen wollen oder während der Asylprozedur zu »Check-ins« zitiert werden. Immer öfter werden Menschen dabei festgehalten, in winzige Zellen verfrachtet und schließlich abgeschoben. Die ICE zahlt dafür hohe Mieten an örtliche Behörden, die damit ihre löchrigen Kassen aufbessern und ein Auge zudrücken, auch wenn ihre Vertreter Demokraten sind und sich nach außen hin als Trump-Gegner darstellen.

Nach einer Viertelstunde tauchen wie aus dem Nichts drei Gestalten auf, einer vermummt mit einer Stars-and-Stripes-Schal, ein anderer sein Gesicht mit Sonnenbrille und Totenkopfmaske bedeckend. »Jüdische Terroristen«, brüllt der eine der Menge entgegen. Ein unvermummter Dritter faselt etwas von »Juden gehören nach Israel, ihr seid doch keine richtigen Juden«. Die Provokateure begeben sich, von einem Polizisten begleitet, an den Rand der Veranstaltung hinter ein Absperrgitter.

Die linken Demonstranten ignorieren sie. Alle Augen sind auf die beginnende Straßenblockade gerichtet. »Das Wort ›Hebräer‹ bedeutet Grenzgänger«, ruft der Rabbiner Eliott Tepperman mitten auf der Straße, den Gebetsschal über die Schultern geworfen, »wir sind Hebräer, und alle Migranten sind Hebräer.« Aus New York ist der orthodoxe Rabbiner Mike Moskowitz angereist. Er lässt sich mit 30 weiteren Demonstranten vor hupenden Autos auf der Straße nieder. »Wir lieben Immigranten, wie Gott auch«, ruft er aus, »wir wissen, was passiert, wenn die große Masse schweigt. Deshalb sagen wir ›Never again‹ (deutsch: Nie wieder), und zwar für alle Menschen.«

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Die Polizei leitet die Fahrzeuge um. Nach einer halben Stunde Sitzblockade erheben sich die durchnässten jüdischen Antifaschisten wieder. 13 von ihnen begeben sich freiwillig in zwei Polizeiwagen. Die Medien haben den Protest eingefangen. Die Geldbußen werden aus Spenden beglichen.

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