Bleibt geschmeidig!

Das queer-feministische Onlineformat «Softie» ist Teil einer schüchternen Wende des nicht-kommerziellen Medienkonsums

  • Marie Hecht
  • Lesedauer: 4 Min.

Stell' dich nicht so an!«, »Heul' nicht!«, »Du Weichei!«, »Lusche!«. »Du Softie!« ist ein Ausspruch, der sich einreiht in einen Kanon von Beleidigungen, die Menschen entgegengebracht werden, welche sich nicht in die üblichen Kategorien von Härte, Leistung und Rationalität einordnen lassen wollen oder gar unter ihnen leiden. Dabei wird deren Bewegtheit als Schwäche interpretiert und zum Schimpfwort deklariert. Das queer-feministische Online-Format »Softie« dreht diese Interpretation des Wortes um, proklamiert das Sanfte und zeigt seit rund zehn Monaten, wie stark und konkret Weichheit sein kann.

Als eines von rund 70 Formaten ist der queer-feministische Kanal Teil von »funk«, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF für 14- bis 29-Jährige. Das Onlineangebot der Öffentlich-Rechtlichen will die junge Zielgruppe mit einem vielfältigen und kreativen Angebot von Unterhaltungs-, Informations- und Orientierungsformaten abholen und rückt so auch Themen in den Mittelpunkt, die noch nicht im Mainstream angekommen sind. »Softie spricht Themen an, die ansonsten unterrepräsentiert sind« erklärt der Videoproduktionsdienst »Kooperative Berlin«, der »Softie« in Kooperation mit dem »Missy Magazine« produziert.

Seit Oktober 2016 verfolgt »funk« das Ziel, »Angebote zu machen, die so unterschiedlich sind, wie seine Nutzer*innen, Menschen unter 30, es auch sind.« Neben der eigenen Webseite und App werden die Videos besonders über Drittplattformen wie Facebook, Youtube, Instagram und Snapchat verbreitet. Damit passt sich »funk« dem Medienkonsum der 14- bis 29-Jährigen an, bei dem soziale Netzwerke und Videoangebote als Bildungs- und Informationsquellen eine große Rolle spielen. Dies bestätigt eine aktuelle Studie des Rats für kulturelle Bildung. Demnach nutzen 86 Prozent der 12- bis 19-Jährigen YouTube als Bildungsmöglichkeit. Die Nutzung von Instagram und Facebook liegt mit jeweils 61 Prozent direkt dahinter. Auch Nachrichteninhalte werden bei einem Viertel der Mediennutzer*innen zwischen 18 und 24 Jahren über Instagram konsumiert, wie der »Reuters Institute Digital News Report« zeigt. Das heißt: 22 Prozent sehen sich regelmäßig Nachrichteninhalte auf Facebook und Youtube an. Der Medienkonsum über solche sozialen Netzwerke trägt also bei den 14- bis 29-Jährigen entsprechend stark zur Meinungsbildung bei, heißt es bei »funk«: »Wenn öffentlich-rechtliche Inhalte mit diskursprägend sein wollen, müssen die öffentlich-rechtlichen Formate auch dort präsent sein.«

Obwohl sich das »funk«-Format »Softie« mittlerweile immer seltener in den anfangs typischen Pastellfarben präsentiert, sind die Grundsätze in den bisher 46 Folgen gleich geblieben: kurze, poppige Videos mit vielen Schnitten und Inhalten außerhalb des Medienmainstreams. Privilegien, Klassismus, Rassismus, Sexismus, Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie und viele weitere Thematiken des queer-feministischen Spektrums werden in den Kurzvideos betrachtet und diskutiert. Im Gegensatz zu Formaten, in denen sich Journalist*innen oder Influencer*innen als Expert*innen äußern, hebt sich »Softie« damit hervor, dass verschiedene Menschen selbst über ihre Erfahrungen und Einstellungen sprechen und so komplexe soziopolitische Zusammenhänge für die Zuschauer*innen zugänglich machen. Wenn es um Sexarbeit geht, reden Sexarbeiter*innen, wenn es um Rassismus geht, kommen von Rassismus betroffene Menschen zu Wort, der Begriff non-binary wird von Menschen erklärt, die sich als nicht-binär identifizieren.

Obwohl es im Textfluss der gut ausgewählten Protagonist*innen manchmal stockt, bleiben ihre Botschaften und der queer-feministische Blickwinkel immer klar. »Softie« versteht sich als ein Format, welches akademische Diskursbegriffe so erklärt, dass alle mitreden können. »Der Kanal begibt sich in die Tiefen feministischer und gesellschaftlicher Diskurse und schlüsselt sie auf, denn: Feminismus soll für alle sein!«, heißt es dort.

Dass »funk« hauptsächlich auf Onlineplattformen von Drittanbietern wie YouTube, Instagram oder Facebook veröffentlicht, die auch die Kontrolle über die Ausspielform haben, bleibt jedoch ein bisher unlösbares Problem. Während auf der eigenen Webseite alle Formate mit einer uneingeschränkten Verweildauer online einzusehen sind, löschen die kurzlebigen Netzwerke wie Snapchat und Instagram die Inhalte bereits nach 24 Stunden. Dafür garantieren diese Plattformen Reichweite bei der Zielgruppe. »Mit funk sind wir mitten in der Lebenswirklichkeit junger Menschen - mit Themen, die sie interessieren und dort, wo sie sich aufhalten: im Netz« sagt SWR-Intendant Kai Gniffke. Das nicht-lineare Onlinekonzept für die junge Generation scheint aufzugehen. Laut Bekanntheitsstudie der SWR- und ZDF-Medienforschung kennen nach drei Jahren 73 Prozent der »funk«-Zielgruppe, 14- bis 29-Jährige, das Content-Netzwerk beziehungsweise eines der Formate.

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