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Start ohne Stars

Die Volleyball-Bundesliga leidet zum Auftakt unter dem internationalen Turnierkalender.

Wie man’s macht, macht man’s falsch. Das Sprichwort dürfte Kaweh Niroomand in diesem Sommer häufiger durch den Kopf gegangen sein. »Nach der Meisterschaft im Mai sind wir eigentlich ganz hoffnungsvoll in die Vorbereitung der neuen Saison gegangen. Aber die wurde dann alles andere als gut«, erinnert sich der Manager des deutschen Volleyballmeisters BR Volleys am Mittwoch.

Der neue Kader war viel schneller zusammengestellt als vorher. Endlich mal keine langen Verhandlungen mit Spielerberatern, viele Stammkräfte waren gehalten worden, auf einige Position habe man sich nicht nur verjüngt, sondern sogar noch verstärken können, sagte der Manager. Wenige Minuten später allerdings ergänzt er: »Diese Vorbereitung war alles andere als gut.«

Niroomand ärgert vor allem der Terminkalender, den der Weltverband FIVB alljährlich vorgibt. Der besagt, dass zwischen Mitte Mai und Mitte Oktober Zeit für Turniere der Nationalmannschaften frei bleiben muss. Theoretisch könnten hier auch Vereinsspiele stattfinden, »wir hätten aber keinen Anspruch auf unsere Spieler«, beschreibt Berlins Manager den Abstellzwang.

So kam es, dass ob der vielen Nationalspieler im Kader beim Trainingsauftakt im Sommer zwischen Nationenliga, Olympiaqualifikation und Europameisterschaft gerade mal vier Akteure in die Halle kamen. Für ein geregeltes Mannschaftstraining bräuchte man aber zwölf. Die bekamen die Volleys nicht ein mal vor dem Saisonauftakt am Samstag bei den Netzhoppers KW-Bestensee zusammen.

Neu ist das Problem mit dem Nationalmannschaftssommer zwar nicht, aber das Ausmaß überraschte Niroomand diesmal wohl doch, denn »nach der EM wird jetzt auch noch der Weltcup – unnötig wie ein Kropf – in Japan ausgetragen, bei dem die Spieler in 15 Tagen elfmal spielen müssen. Die werden danach sicher keinen Volleyball mehr sehen wollen.«

Die Volleys müssen daher in den ersten beiden Bundesligaspielen in Bestensee und am Dienstag zu Hause gegen Giesen auf Diagonalangreifer Benjamin Patch, Mittelblocker Jeffrey Jendryk und Zuspielstar Sergej Grankin verzichten. Da auch noch Trainer Cedric Enard aus privaten Gründen in die Heimat nach Frankreich abreisen musste, spielt der Meister zum Anfang erst mal ohne Anführer.

Schon in der vergangenen Woche war der ausgedünnte Kader zum Problem geworden. In Hamburg war bei den einzigen Testspielen auch noch der aus Frankreich zurückgekehrte Ersatzzuspieler Pierre Pujol mit einer Viruserkrankung ausgefallen, so dass sich der deutsche Meister doch tatsächlich beim Gegner einen Spielmacher ausleihen musste. »Schlimmer geht es nicht. Wohl nur unser Verband schafft solche Rahmenbedingungen«, schimpfte Niroomand.

Eine Verlegung kam nicht infrage: »Wenn wir die beantragt hätten, wäre das Programm noch enger geworden. Da steht für uns die Gesundheit der Spieler aber im Vordergrund. Und bei allem Respekt vor den Gegnern: Wir hoffen, dass wir auch mit zehn Mann gegen Bestensee und Giesen gewinnen können. Wenn nicht, müssen wir danach eben den Rückstand schnell wieder aufholen«, zeigte sich Niroomand dann doch recht zuversichtlich, den Saisonstart nicht wieder so zu verschlafen wie im Vorjahr.

Die Problematik trifft auch nicht nur Berlin. Die erneut stark einzuschätzenden Vorjahresdritten, die Alpenvolleys aus Innsbruck, werden zum Auftakt ebenfalls ohne ihre beiden australischen Nationalspieler Max Staples und Jordan Richards auskommen müssen. Dennoch formulierte der Klub, der erneut einige Heimspiele in Unterhaching austragen wird, ein hohes Saisonziel: das Finale um die deutsche Meisterschaft.

In der Tat könnte im Frühjahr 2020 die ewig gleiche Finalansetzung (Berlin gegen Friedrichshafen) mal geändert werden. Denn am Bodensee ist ein Totalumbruch im Gange. Zunächst hatte Weltmeistertrainer Vital Heynen seinen Abschied bekanntgegeben, und mit ihm verließen danach viele Stützen des Teams den VfB. Besonders die in der Vergangenheit so prägende Annahmeachse aus David Sossenheimer und Athanasios Protopsaltis musste ersetzt werden. Wie schnell der neue Trainer Michael Warm aus fünf alten und acht neuen Spielern ein Team zusammenfügen kann, bleibt abzuwarten.

»Friedrichshafen kann ich überhaupt nicht einschätzen. Von den Namen ist die Mannschaft gut besetzt. Aber die Fußstapfen vor allem der ehemaligen Trainer Stelian Moculescu und Vital Heynen sind doch sehr groß«, tat sich Niroomand schwer mit einer Saisonprognose beim Erzrivalen.

Auf jeden Fall rechnet er mit Lüneburg, Düren, Innsbruck und Frankfurt als Gegner, die den Berlinern das Leben erschweren werden. Düren setzt erneut auf eine sehr erfahrene Mannschaft aus vielen ehemaligen Nationalspielern wie Björn Andrae, Tim Broshog und Michael Andrei. Dazu kommt der chilenische Angreifer Sebastian Gevert, der selbst von den Berlinern in der Vergangenheit nur schwer zu kontrollieren war. »Die Liga ist in der Breite stärker geworden«, bilanzierte Niroomand. »Ob sie in der Spitze weiter nach vorn gekommen ist, liegt am Ende aber auch an uns.« Der Führungsanspruch ist also formuliert. Ihn mit Leben zu füllen dürfte aber noch mindestens eine Woche dauern, bis endlich mal alle Spieler da sind.

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