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Der Fall Klausener

Bernhard Sauer über einen Mord im angeblichen Röhm-Putsch

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch immer werden die Ereignisse vom 30. Juni 1934 als Röhm-Putsch bezeichnet. Damit wird offizielle Terminologie der NS-Führung übernommen, die auf einer Lüge beruhte. Die SA hatte keinen Putsch geplant.

Bernhard Sauer: In Heydrichs Auftrag. Kurt Gildisch und der Mord an Erich Klausener während des »Röhm-Putsches«.
Metropol, 154 S., br., 16 €.

Bernhard Sauer rekonstruiert die Geschichte akribisch. An jenem Junitag im zweiten Jahr der Hitler-Diktatur wurden zahlreiche SA-Männer und prominente Protagonisten der konservativen Opposition auf persönlichen Befehl des »Führers« ermordet. Unter ihnen Erich Klausener, der in der Weimarer Republik in der Katholischen Aktion aktiv war. Er teilte mit den Nazis die Ablehnung der Republik, aller linken Kräfte und des Liberalismus. Aber der Staat, den Hitler & Co. dann errichteten, war sein Ding ebenso nicht.

Das Opfer Klausener und der Täter Kurt Gildisch stehen im Mittelpunkt des Buches. SS-Führer Heydrich habe die »Liquidierung« des Konservativen angeordnet. Der Mord geschah an Klauseners Arbeitsstelle, im Verkehrsministerium. Der Mörder drückte der Leiche die Pistole in die Hand. Es sollte nach Selbstmord aussehen. Gildisch gehörte zu den wenigen Tätern vom 30. Juni 1934, die später zur Rechenschaft gezogen wurden. 1951 musste sich der weiterhin überzeugte Nazi vor dem Berliner Landgericht verantworten.

Sauer zeichnet dessen Psychogramm. Gildisch machte schon in der Weimarer Republik Propaganda für die Nazis, weshalb er 1931 aus dem Polizeidienst entlassen wurde. Dadurch wurde er in höchsten Parteikreisen bekannt und gehörte bald zur persönlichen Leibwache Hitlers. Am 9. November 1933, dem zehnten Jahrestag des Hitler-Putsches, wurde er Mitglied der Leibstandarte »Adolf Hitler«. Seine Karriere endete jedoch bald. Unter Alkoholeinfluss schreckte Gildisch auch nicht vor Gewalt gegen die eigenen Leute zurück.

Wegen Beleidigung und tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten wurde er 1935 aus der SS und der NSDAP ausgeschlossen und zu einer Haftstrafe verurteilt. Er diente sich jedoch erneut hoch und bewarb sich wieder um die NSDAP-Mitgliedschaft.

Die Entscheidung sollte nach Beendigung des Krieges mit dem - wie die Nazis glaubten - »Endsieg« erfolgen. Dass es dazu nicht kam, versuchte im Nachkriegsprozess Gildischs Anwalt, ein FDP-Politiker, als Beweis für die Abkehr seines Mandanten vom Regime zu deuten. Das Gericht folgte dem nicht und verurteilte Gildisch zu einer hohen Haftstrafe. Zu belastend waren die vorgelegten Dokumente, darunter Briefe an Eltern und Freunde, in denen er sich als strammer Nazi präsentierte.

Ausführlich geht Sauer auf die juristische Argumentation in den beiden Prozess gegen Gildisch ein. Das erste Urteil, eine 15-jährige Haftstrafe, musste wegen eines Formfehlers aufgehoben werden. Das Revisionsverfahren bestätigte das Strafmaß.

Im Anhang des Buches sind beide Urteile dokumentiert, die nur so von totalitarismustheoretischen Begründungen strotzen. Als neuen Feind haben bundesdeutsche Juristen, die vielfach schon in der Nazizeit in ihrem Beruf tätig waren, den Kommunismus ausgemacht. Und auch Gildisch hätte wie viele andere Nazis wahrscheinlich nicht die volle Haftstrafe absitzen müssen. Es gab Begnadigungsanträge, unterstützt von Klauseners Witwe. Gildisch starb jedoch 1956 im Haftkrankenhaus.

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