Flüchtlingsabwehr mit Kralle
Wie ein libyscher Menschenhändler zu einem offiziellen Treffen nach Sizilien eingeladen wurde
Abd al-Rahman al-Milad ist einer der bekanntesten Menschenhändler der Welt. Der Reporter Michael Obert, der den Libyer auf einer seiner Patrouillen begleitete, beschrieb ihn 2017 im SZ-Magazin: »›Al Bija‹, dreißig, hat eine verstümmelte Hand, die er benutzt wie eine Kralle - ›ich musste eine Menge Menschen töten‹, sagt er.« Al-Milad, genannt »Al Bija« gehört zu einer der wenigen Figuren im Menschenhandel, gegen die der UN-Sicherheitsrat Sanktionen verhängt hat. Eine Recherche der Zeitung »Avvenire« hat nun ergeben, dass die italienische Regierung im Mai 2017 mit ihm über die Kontrolle der Flüchtlingsbewegung verhandelt hat.
Bei dem Treffen haben italienische Beamte und Geheimdienstler teilgenommen, berichtete »Avvenire«. Der italienischen Regierung war 2017 unter Führung des Innenministers Marco Minniti wiederholt vorgeworfen worden, Hinterzimmerdeals mit libyschen Milizen getätigt zu haben.
Über Bildsuchsoftware finden sich weitere Aufnahmen von »Al Bija«. Ein inzwischen aus dem Netz genommenes Foto der italienischen Küstenwache (s.o.) zeigt ihn am 09. Mai 2017 in deren Hauptquartier. Dort heißt es, das Bild zeige ein »See und Wüsten«-Training für libysche Beamte.
Die Enthüllungen seien der Beweis, so »Avvenire«, dass Italien die Dienste libyscher Schlepper in Anspruch genommen hat, um den Zustrom von Migranten aus Libyen zu stoppen. Die italienische Regierung hatte entsprechende Behauptungen bislang immer dementiert. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bestätigte die Recherchen in einer Mitteilung. Sie bedauerte das Treffen, das vom Innenministerium finanziert und von der IOM organisiert wurde. Man sei sich nicht bewusst gewesen, das »Al Bija« in Menschenhandel verwickelt war. Die Berichte sorgen in Italien für Aufruhr. Der Abgeordnete Riccaro Magi forderte die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission, die klären solle, ob Italien mit Libyen geheime Abkommen abgeschlossen hat.
Der Fall schlägt hohe Wellen, da »Al Bija« bereits 2017 als eine der »Schlüsselfiguren« des Menschenhandels benannte wurde, und es in dervon ihm kontrollierten Küstenzone zu Gewalt und Misshandlungen von Flüchtlingen gekommen ist. Dass ein einstiger Menschenhändler sich im Sold der EU und Italien verdiente, ist ein Skandal. Das Problem ist aber größer: Durch die Unterstützung der Küstenwache sind massenhaft Gelder an ehemalige Verbrecher geflossen. Jeder der libyschen Küstenwächter ist daher potenziell ein »Al Bija«.
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