Politische Forderungen am Thema vorbei

Nach dem Anschlag in Halle gingen Tausende am Wochenende auf die Straße. Horst Seehofer macht Vorstöße, die schlecht ankommen

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Vier Tage nach dem rechtsextremistischen Anschlag in Halle sind Tausende Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zu demonstrieren. In Berlin liefen die Protestierenden am Sonntagnachmittag von Unter den Linden zur Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße. 8000 waren es, sagte die Polizei, von 16 000 Teilnehmer*innen gingen die Veranstalter aus. Menschen jeden Alters waren dabei, einige trugen Kippa, viel Presse war da. Das unteilbar-Bündnis und das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus hatten die Demonstration angemeldet.

Eine der Rednerinnen war Lala Süßkind. Die Vorsitzende des Jüdischen Forums kritisierte dem »nd« gegenüber die Arbeit der Hallenser Polizei vor und nach dem Anschlag. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, hatte mehrmals mehr Polizeischutz für die Synagoge gewünscht und sie nicht bekommen, wie er in einem Interview des Jüdischen Forums sagte. Als Privorozki während des Anschlags die Polizei anrief, habe die mit Fragen, die mit der Sache gar nichts zu tun gehabt hätten, wertvolle Zeit verstreichen lassen. »Das finde ich beschämend für die Polizei«, sagte Süßkind dazu. »Liebe Justiz, rührt euch ein wenig mehr, dass Täter, egal woher sie kommen, härter angegangen und bestraft werden«, so Süßkind.

Dietmar Bartsch (Fraktionsvorsitzender der LINKEN), der auch zur Demonstration gekommen war, sagte dem »nd«: »Jede Demonstration, die sich klar gegen Antisemitismus ausspricht, ist wichtig«. Felix Müller, Sprecher des unteilbar-Bündnisses, sagte, die Demonstration gebe es, damit Menschen einen Ort hätten und nicht alleine seien. »Wir stehen in Solidarität und in Gedenken mit den Angehörigen der Opfer, mit allen Betroffenen, mit der jüdischen Gemeinde und mit allen Menschen, die sich in Deutschland schon lange nicht mehr sicher fühlen können.«

Auch in Halle gingen Menschen auf die Straße. Dort hatte das Bündnis »Halle gegen Rechts« gemeinsam mit den Betroffenen aus dem beschossenen Dönerladen zu einer Demonstration aufgerufen. Am Samstag demonstrierten in Hamburg unter anderem die »Omas gegen rechts« gegen Rechtsextremismus.

Während die Zivilgesellschaft auf die Straße geht, gibt es aus der Politik mehrere Vorstöße, die auf Kritik stoßen. Bundesinnenminister Horst Seehofer stürzt sich auf die Spieler von Computerspielen und sagte im ARD-Magazin »Bericht aus Berlin«, viele der potenziellen Täter kämen aus der Gamer-Szene, also der Szene der Spieler von Computerspielen. »Man muss genau hinschauen, ob es noch ein Computerspiel ist, eine Simulation oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag.« Dafür gab es viel Kritik auf der sozialen Plattform Twitter. Dort war »Gamerszene« am Sonntagnachmittag einer der weltweit meistbenutzten Hashtags, also Referenzen. Seehofer hatte außerdem vorgeschlagen, den Verfassungsschutz zu stärken.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will antisemitische Straftaten nun strenger verfolgen lassen. Stimmen aus der jüdischen Community in Deutschland wie der Autor Max Czollek dagegen betonen, dass Judenfeindlichkeit schon lange vor dem Anschlag ein Problem in Deutschland war.

Zudem unterstreichen sie ihre Forderungen, die sie schon länger stellten. So etwa nach mehr Polizeischutz vor Gebäuden sowie mehr Hinsehen der Polizei und Justiz bei antisemitischen Taten. Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte die Aussage des sachsen-anhaltischen Innenministers Holger Stahlknecht (CDU), dass die Polizei immer Bitten nachgekommen sei, Veranstaltungen zu schützen, als »unzutreffend«. Es »verkehrt die Realität in der Vergangenheit«, so der Zentralrat.

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