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Kaum Schutz für Antifaschisten
Sprecher des Braunschweiger »Bündnisses gegen Rechts« wird bedroht
In den vergangenen Tagen sorgten Morddrohungen gegen thüringische Spitzenpolitiker für Schlagzeilen. Kurz vor der Landtagswahl am Wochenende erhielten etwa CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring und Grünen-Fraktionschef Dirk Adams Drohmails mit rechtsradikalem Inhalt.
Wie ernst solche Attacken zu nehmen sind, zeigte sich kürzlich in Braunschweig. »Wir töten dich. Janzen«, stand an der Haustür von David Janzen. Der 47-Jährige ist Sprecher des Braunschweiger »Bündnisses gegen Rechts«. »Heute Walter, morgen Janzen«, postete ein Braunschweiger Neonazi im Internet in Anspielung auf den von einem Rechtsextremisten ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU). Das war im Sommer.
Es blieb nicht bei Hetze und Morddrohungen. In den vergangenen Tagen und Wochen wurden immer wieder Anschläge auf Janzens Wohnung verübt. Am Donnerstagabend vergangener Woche kippten Unbekannte eine Säure in seinen Briefkasten. Die habe zu Augen-, Haut- und Atemreizungen geführt, sagt Janzen. Daneben fanden sich Aufkleber rechtsextremer Gruppen. In der Nacht zum Sonnabend wurde die Tür des Wohnhauses, in dem Janzen mit seiner Familie lebt, mit einer roten, zähflüssigen Substanz beschmiert. Möglicherweise Ketchup, so die Polizei.
Die Beamten ermittelten wegen Sachbeschädigung und des Verdachts der Körperverletzung, sagte eine Polizeisprecherin: »Wir können derzeit einen politischen Hintergrund nicht ausschließen, ermitteln aber in alle Richtungen.« Nach den jüngsten Vorfällen bewerteten die Sicherheitsbehörden die neue Situation und zeigten als erste Maßnahme mehr Präsenz: »Wir haben Herrn Janzen im Auge und stehen mit ihm in Kontakt.«
Janzen wirft der Polizei allerdings vor, zu wenig für seinen Schutz zu tun: »Die Polizei ist offensichtlich nicht in der Lage oder nicht Willens, Menschen ausreichend zu schützen, die sich gegen Rechts engagieren und deshalb von Neonazis bedroht werden«, sagt er. Das »Bündnis gegen Rechts« werde nun darüber nachdenken, selbst für den nötigen Schutz zu sorgen.
Unterstützung erfährt Janzen unter anderem von der Gewerkschaft ver.di. »Seit Jahren laufen in unserer Stadt gewalttätige Rechtsextremisten herum, greifen Menschen an, beschmieren Wände und Mauern mit Nazi-Symbolen und Nazi-Propaganda und bedrohen alle, die ihrem Menschenbild nicht entsprechen«, so ver.di-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller. Die staatlichen Stellen müssten diese Bedrohung endlich in den Griff bekommen und entschlossen gegen die Neonazis vorgehen. »Überall hört man Bekenntnisse gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und gegen Rechtsextremismus.« Aber zugleich könnten Rechtsextremisten immer weiter Straftaten begehen.
In Braunschweig fehlten Institutionen und Einrichtungen zur Demokratie-Förderung und gegen Diskriminierung sowie ein offensiver Umgang mit dem Rechtsextremismus in all seinen Schattierungen, meint Wertmüller. Es passe ins Bild, dass die Stadt ohne jeden Widerstand ihre Volkswagen Halle an die AfD vermiete. Am 30. November und 1. Dezember soll in Braunschweig der AfD-Bundesparteitag stattfinden. Dagegen regt sich bereits breiter Protest. Das »Bündnis gegen Rechts« plant eine Demonstration mit Tausenden Teilnehmern. Der Betriebsrat von VW plädierte dafür, das VW-Logo während des Parteitags zu verdecken. Eine Petition gegen den Parteitag wurde von rund 15 000 Menschen unterzeichnet.
Janzen selbst mahnt eine andere Haltung aller Behörden beim Umgang mit Rechtsextremismus an. »Wir brauchen nicht mehr Law and Order, sondern eine breite gesellschaftliche Debatte zum Thema«, erklärte er. »Wir haben doch bereits Gesetze und Möglichkeiten, gegen Rechts vorzugehen. Wenn man die Debatte verfolgt, hat man das Gefühl, Rechtsextremismus wäre jetzt etwas ganz Neues.«
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