Politische Polizei

Dortmunder Beamte äußern sich zunehmend politisch. Das ist eine Gefahr für die Demokratie.

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

»Unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung sind antirassistische Äußerungen in jedweder Form für die Polizei absolut nicht tragbar. Deshalb werden wir auch bei künftigen Demonstrationen von Linksextremisten mit einer Null-Toleranz-Strategie gegen Antirassismus vorgehen. Wir begrüßen den nunmehr für Montag angekündigten friedlichen Gegenprotest ausdrücklich.« Nein, eine solche Äußerung gibt es noch von keiner Polizeibehörde in Deutschland. Das echte Zitat entstammt einer Pressemitteilung der Dortmunder Polizei und wendet sich im Original gegen den Antisemitismus einer neonazistischen Demonstration. Aber das kurze Gedankenexperiment lohnt sich, denn Kräfteverhältnisse in einem Land können sich ändern. Was heute gesellschaftlicher Konsens ist, muss es morgen nicht mehr sein.

Was Neonazis in Dortmund jeden Montag veranstalten, ist rassistische und antisemitische Hetze. Wenn die Rechten »Nie, nie nie wieder Israel« brüllen, dann ist jedem Beobachter klar, was sie wollen: die Vernichtung des jüdischen Staates und eine Auslöschung von Juden überall auf der Welt. Es ist klar, dass ihnen Israel nur als Chiffre dient, um an die Taten ihrer Vorbilder im Nationalsozialismus zu erinnern und ihre Fortsetzung zu fordern. Wenn, wie am Montag das Oberverwaltungsgericht Münster, die Parole »Nie, nie, nie wieder Israel« durchwinkt und ein polizeiliches Verbot aufhebt, dann ist das nur schwer erträglich.

Allerdings ist diese Aussage vom Grundgesetz gedeckt, das, wie die Richter feststellen, auch »überspitzte und polemische Kritik« schützt - unabhängig von ihrer »Begründetheit, Werthaltigkeit oder Richtigkeit«. Auch das kann man kritisieren. Dann müsste man jedoch in einem zweiten Schritt über Gesetzesänderungen nachdenken. In Österreich zum Beispiel gibt es das sogenannte Wiederbetätigungsverbot - ein scharfes Schwert gegen Äußerungen von Nazis. Doch gegen einen gesellschaftlichen Rechtsruck hilft es nicht, wie die Stärke der FPÖ beweist.

Zurück zur Dortmunder Polizei. Diese agiert in ihren Pressemitteilungen zunehmend politisch. Antisemitismus will man »unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung« entgegentreten. Das Gerichtsurteil aus Münster wird vom Polizeipräsidenten Gregor Lange »bedauert«. Und bürgerliche Anti-Nazi-Demonstrationen werden als »wichtiges Signal des Schulterschlusses« bezeichnet.

An dieser Stelle aber gibt die Polizei die eigentliche Rolle ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf. In einem Erlass des Innenministeriums dazu heißt es: »Mitteilungen an die Presse haben sich grundsätzlich auf die Wiedergabe des Sachverhalts zu beschränken.« Auch sollen »wertende Feststellungen« grundsätzlich nicht getroffen werden.

Im Zuge der Auseinandersetzung mit Neonazis mag man die politischen Äußerungen der Polizei für richtig halten. Besonders nach den vielen Vorfällen mit extremen Rechten innerhalb von Polizeibehörden sorgt das bei Beobachtern für ein gutes Gefühl. Setzt sich diese Art der Öffentlichkeitsarbeit jedoch durch, wird die Polizei zu einem mächtigen politischen Akteur.

Unter Journalisten gilt die Polizei als privilegierte Quelle. Ihre Äußerungen werden häufig ohne zu Hinterfragen übernommen. Äußern sich die Behörden politisch und ihre Statements werden zusätzlich medial verbreitet, besteht die Gefahr einer Meinungsmacht, die mangelnder demokratischer Kontrolle unterliegt und die vorgeben kann, welche Verhaltensweisen und Meinungen als akzeptabel gelten.

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