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Paritätischer fordert Neureglung der Gemeinnützigkeit
Schneider: Für politische Nichtregierungsorganisationen sollten ähnliche Regeln wie für Parteien gelten
Nachdem Campact und Attac ihre Gemeinnützigkeit verloren haben, ist die Aufregung groß. Viele weitere Organisationen fürchten um ihren Status. Ohne die Einstufung als gemeinnütziger Verein können sie keine Spendenquittungen mehr ausstellen. Auch der Zugang zu Räumlichkeiten im Besitz der öffentlichen Hand wird dann schwieriger und teurer.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat deshalb Abhilfe versprochen. In den nächsten Wochen möchte er eine »Modernisierung« der bisherigen Regelungen vorstellen. Derzeit sei er in »sehr intensiven Gesprächen« mit den Landesfinanzministern. Zu spät, wie Finanzpolitiker von Grünen und LINKEN kritisieren. Die Grünen fordern seit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac vergangenes Frühjahr eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts in der auch »Transparenzpflichten für gemeinnützige Organisationen und Regeln zur Offenlegung der Spenderstruktur« enthalten sein sollen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat nun einen eigenen Vorschlag erarbeitet, der Finanzminister Scholz am Freitag übersendet wurde. Jener Vorschlag liegt »neues deutschland« vor. Im Gespräch mit »nd« erklärt Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider: »Wir fordern für Organisationen, die vorrangig politische Arbeit machen, ein eigenes Statut, dass sich in Teilen an das Parteiengesetz anlehnt.« Die Politik müsse gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung tragen, die sich in den letzten Jahrzehnten ergeben hätten.
Heute gäbe es viele Menschen, die sich politisch jenseits der Parteien organisieren. Die Arbeit von Attac und Campact nennt Schneider »beispielhaft positiv« und fordert, dass sie weiterhin steuerlich privilegiert werden. Eine einfache Ausweitung der Abgabenordnung, in der festgelegt ist, welche Zwecke gemeinnützig sind, hält Schneider allerdings für falsch. »Da würde dann zu viel darunter fallen, von der Freiwilligen Feuerwehr bis zur bundesweiten NGO.«
Politische Gruppen müssten ähnlich behandelt werden wie Parteien, fordert Schneider. Hier sei es wichtig, dass es nachvollziehbar ist, ob es zum Beispiel »Großspender hinter einer Demonstration« gibt. Da gäbe es ein berechtigtes öffentliches Interesse. Bei anderen Organisationen im gemeinnützigen Sektor sei Transparenz hingegen »kontraproduktiv«. »Wer für Flüchtlingsorganisationen spendet, möchte vielleicht nicht öffentlich genannt werden, damit nicht am nächsten Tag Rechte vor seiner Tür stehen«, so Schneider.
In der klassischen Gemeinnützigkeit wollten Spender oft selbst entscheiden, ob sie genannt werden. Das sei in vielen sensiblen Bereichen der Fall, etwa wenn es um private Spenden für »Selbsthilfeorganisationen für verschiedene Erkrankungen, verschiedene Beratungsstellen für spezifische Personengruppen und ähnliches« geht, wie es im Brief an den Finanzminister heißt.
Die Reaktionen auf den Vorschlag des Paritätischen Wohlfahrtverbands fallen skeptisch aus. »Ein eigener Steuerstatus für politisch tätige Organisationen wäre nicht die Lösung des Problems, die durch das Attac-Urteil und den Campact-Fall offenbar werden, aber viele tausend Vereine und kleine Initiativen betreffen«, erklärt Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung«, in der sich über 120 Vereine und Stiftungen zusammengeschlossen haben.
Dem Paritätischen wirft Diefenbach-Trommer vor, »zutiefst unsolidarisch« zu agieren. Der Verband habe den Vorschlag gemacht ohne sich mit Betroffenen oder potentiell betroffenen Organisationen auszutauschen. Der Vorschlag eines neuen Status für politische NGOs passe nicht zum Problem. Gemeinnütziges Engagement wirke immer auf die Gesellschaft ein und sei schon allein deshalb politisch. Die Gefahr, dass sich Vertreter von Einzelinteressen mit Geld »verdeckt politisch einmischen« könne nicht über das Steuerrecht gelöst werden. Dafür brauche es andere Regelungen, wie etwa ein Lobbyregister.
Die Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« setzt sich für eine Ausweitung der Abgabenordnung ein, in der festgelegt ist, was gemeinnützig ist. »Es braucht mehr Zwecke in der Abgabenordnung und die Klarstellung, dass man sich dafür mit politischen Mitteln wie Demonstrationen einsetzen kann«, so Diefenbach-Trommer.
Auch Jörg Cezanne, Finanzpolitiker der LINKEN im Bundestag, äußert sich gegenüber »nd« skeptisch: »Der Haken am Vorschlag des Paritätischen Wohlfahrtverbands ist, dass für diese politischen Organisationen dann andere Regeln gelten.« Es würden dann »Zwei Klassen von NGOs entstehen«, so der Bundestagsabgeordnete. Innerhalb der LINKEN-Fraktion sei man noch im Diskussionsprozess über die Neuregelungen zur Gemeinnützigkeit. Favorisiert sei derzeit eine Neuregelung innerhalb der bestehenden Abgabenordnung. Diese solle zu einem »dynamischen Prozess« werden, in dem »gesellschaftspolitisch ausgehandelt« werde, was gemeinnützig sei. Cezanne ist sich allerdings sicher, dafür noch dicke Bretter bohren zu müssen. »Es wird viele Kräfte in CDU und FDP geben, die sich gegen eine Ausweitung der Abgabenordnung stellen«, fürchtet der Finanzpolitiker.
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