Scholz schätzt die Lage zu optimistisch ein

Laut Steuerschätzung soll der Bund 2019 vier Milliarden Euro mehr in der Kasse haben

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Geht es nach Bundesfinanzminister Olaf Scholz, dann ist alles nur halb so schlimm. Die Steuereinnahmen würden zwar nicht mehr wie Bäume in den Himmel wachsen, entwickelten sich aber weiterhin stabil, so seine Botschaft am Mittwoch bei der Präsentation der Ergebnisse der Steuerschätzung. Als Beweis dafür führt der Kandidat für den SPD-Vorsitz an, dass der Bund dieses Jahr wohl vier Milliarden Euro mehr zur Verfügung habe als noch im Mai gedacht. Das solle die vermutlich etwas geringer als zunächst erwarteten Einnahmen in den Folgejahren ausgleichen können. Und überhaupt, meint Scholz, ist ja weiterhin von steigenden Steuereinnahmen die Rede, nur nicht in so großem Ausmaß, wie noch vor ein paar Monaten gedacht.

Doch so toll, wie Scholz die Lage darstellt, ist sie leider nicht. Zum einen liegt es nämlich in der Natur der Sache, dass Steuereinnahmen steigen – genauso wie Löhne, Preise und Ausgaben. Das Phänomen nennt sich Inflation. Würden die Steuereinnahmen tatsächlich einmal sinken, dann hätte der Fiskus ein krasses Problem. Zudem sind die Mehreinnahmen, von denen Scholz spricht, tatsächlich Mindereinnahmen. Vor einem Jahr ging er nämlich noch davon aus, dass der Staat insgesamt dieses Jahr 804,6 Milliarden Euro zur Verfügung hätte. Jetzt ist nur noch von 796,4 Milliarden Euro die Rede – unterm Strich also ein Minus von 8,2 Milliarden Euro.

Hinzu kommt, dass Scholz noch recht optimistisch ist, was die ökonomischen Prognosen angeht, die Grundlage seiner Schätzung sind. So geht er für dieses Jahr noch von einem Wirtschaftswachstum von 0,5 und 1,0 Prozent für nächstes Jahr aus. Die Deutsche Industrie und Handelskammer zum Beispiel ist da pessimistischer. Deren Experten rechnen mit 0,4 Prozent Wachstum 2019 und 0,5 Prozent 2020. Ähnlich ist die Prognose der gewerkschaftsnahen Forscher des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung: 0,4 Prozent für dieses und 0,7 Prozent für nächstes Jahr. Scholz‘ Steuerschätzung beruht also auf recht optimistisch geschätzten Prämissen, die viele Ökonomen nicht teilen.

Indes ist nicht nur die schlechtere konjunkturelle Entwicklung schuld, dass der Staat künftig weniger Geld zur Verfügung haben wird. So wird die fast komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags – die in der aktuellen Steuerschätzung übrigens noch gar nicht eingepreist ist – zu Mindereinnahmen von elf Milliarden Euro im Jahr führen. Das sind elf Milliarden Euro, die für Schulen, Straßen, klimafreundliche Investitionen oder vielleicht bald notwendige Konjunkturpakete fehlen. Scholz versucht die Abschaffung zwar als eine Konjunkturmaßnahme zu verkaufen, die vor allem Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen entlasten würde. Tatsächlich zahlen aber gerade Niedrigverdiener aufgrund ihres geringen Einkommens schon jetzt keinen Solidaritätszuschlag. So ist dessen Abschaffung vor allem eins: Ein milliardenschweres Steuergeschenk für Gut- und Besserverdiener. Scholz und Co. sollten also auf Grund der eingetrübten konjunkturellen Lage lieber wieder Abstand davon nehmen.

Eine weitere Sache, von der die Regierung indes endlich Abstand nehmen sollte, ist die Schwarze Null. Wenn das Land nämlich wirklich mal in eine Krise rutscht – was derzeit immer wahrscheinlicher wird –, dann engt das Paradigma des ausgeglichenen Haushaltes die Möglichkeit des Staates, der konjunkturellen Entwicklung gegenzusteuern, massiv ein. Deswegen fordern nämlich mittlerweile Ökonomen sowohl aus dem Arbeitgeber- als auch aus dem Arbeitnehmerlager eine Abkehr von der Schuldenbremse. Diese ist nämlich nicht nur unsinnig, sondern in Zeiten einer Rezession auch brandgefährlich.

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