- Politik
- Jens Reich
Herbst des Aufbruchs
Friedlicher Wendepunkt: Jens Reichs Erinnerungen an den 4. November 1989
Es war ein überraschender, ein ungeahnt friedlicher und kreativer Protest: Am 4. November 1989, vor genau 30 Jahren, demonstrierten auf dem Berliner Alexanderplatz rund eine halbe Million Menschen für Meinungsfreiheit und Demokratie in der DDR. Dieses Datum ist bis heute einer der großen Fixpunkte jenes Wendeherbstes.
Zu den zahlreichen Rednern gehörte Jens Reich. Der Molekularbiologe bezeichnet den 4. November 1989 im nd-Interview rückblickendls »schönsten Tag der DDR« - eine »schöne, stolze und zugleich gut gelaunte Manifestation. Leider scheint heute so etwas nicht mehr möglich zu sein. Frust, Hass, Wut schlagen Andersdenkenden und Andersmeinenden entgegen.«
Damals hatte der Bürgerrechtler Reich vor den Hunderttausenden dazu aufgerufen, sich frei zu machen »von feiger Vorsicht, nur nicht den Kopf aus dem Salat stecken, sonst gibt’s einen drauf, von Kleinmütigkeit, es hat ja doch keinen Sinn, nichts wird sich ändern, alles bleibt beim Alten«. Reich gehörte zu den Verfassern des Aufrufs »Aufbruch 89« und zu den Gründern der Bürgerrechtsbewegung Neues Forum. Viele Redner an jenem 4. November wie auch viele aus dem sich einmischenden Publikum wollten die DDR reformieren, einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Doch die große Kundgebung war zugleich der »Abgesang« des Staates, wie Jens Reich heute konstatiert.
Für einen historischen Moment schien damals alles möglich - aber eben nur für einen Moment. Fünf Tage später öffnete die DDR ihre Grenzen, wenige Wochen später wurden die Weichen für eine baldige deutsche Einheit gestellt. Die Hoffnungen auf einen demokratischen Sozialismus, beschrieben auch im Verfassungsentwurf des Runden Tisches, wurden zu einer Fußnote der Geschichte. nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.