- Politik
- Gentrifizierung in Leipzig
Mit Faustschlägen gegen Neubau
Angriff auf Immobilienmaklerin in Leipzig führt zu scharfen Attacken gegen Linke
Ein Wohnensemble, das sich »harmonisch« ins Viertel einpasse und der Nachbarschaft »emotionalen Mehrwert« bringe: So wirbt die Leipziger Firma »Wassermühle Immobilien« für den Neubau des »Südcarré« im Stadtteil Connewitz. Von Harmonie ist in dem linken Szenekiez angesichts der Bebauung einer weiteren Freifläche mit teuren Wohnungen aber nichts zu spüren. Jetzt eskalierte der Konflikt.
Eine 34-jährige Mitarbeiterin des Immobilienunternehmens wurde am Sonntagabend in ihrer Wohnung von Vermummten angegriffen und mit Faustschlägen verletzt. Die Polizei vermutet einen »linksextremistisch motivierten Hintergrund«, die Ermittlungen führt ihr Terror- und Extremismus-Abwehrzentrum. Verwiesen wird auf ein auf der Onlineplattform »Indymedia« veröffentlichtes Bekennerschreiben einer »Kiezmiliz«. Darin werden Projekte wie das Südcarré als »Angriff auf einen Raum der radikalen Linken« bezeichnet, der »beantwortet« werde.
In Leipzig, dessen Einwohnerzahl unlängst die Marke von 600.000 erreichte, boomt der Immobilienmarkt - mit bekannten Folgen: Wohnungen werden knapp, Mieten steigen, Neubau wird für Investoren immer renditeträchtiger, führt aber zu Verdrängung. Der Konflikt wird nicht nur politisch ausgetragen. Schon Anfang Oktober brannten in der Prager Straße zwei Baukräne. Jetzt gab es erstmals eine körperliche Attacke.
In der linken Szene stößt diese auf breite Ablehnung. Die Ortsgruppe der Interventionistischen Linken nennt den Angriff »daneben«, die Initiative »Rassismus tötet« bezeichnet ihn als »absolute Scheiße; da gibt es nichts zu diskutieren«. Jürgen Kasek, Grünen-Stadtrat und Anwalt, warnt: »Angriffe auf Menschen und Maschinen ändern nicht das System.« Sie erschwerten aber die politische Arbeit von Kritikern der Gentrifizierung.
Trotz der Distanzierung führt der Angriff zu harschen Anschuldigungen gegen die linke Szene. Oberbürgermeister Burkhard Jung sieht nicht nur die »von der linksextremistischen Szene verbreitete Mär« widerlegt, man sei nur »gegen Sachen und staatliche Institutionen gewalttätig«, als »Lüge« widerlegt. Er warnt auch, nun sei der »Weg zum politischen Mord nicht mehr weit«. Vier Wochen nach dem rechten Anschlag auf die Synagoge und einen Dönerimbiss im nahen Halle sowie am Jahrestag der Selbstenttarnung des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU), der zehn Menschen ermordete, ließ sich der SPD-Politiker zudem zu der Aussage hinreißen, man dürfe »in der aktuellen Debatte um den rechten Terror den Linksextremismus und seine Menschenverachtung, die dem der rechten nicht nachsteht, nicht aus dem Blick verlieren«.
Kasek erwiderte in seinem Blogbeitrag, die Debatte über Linksextremismus sei »völlig daneben«, wenn sie zur Aufrechnung rechter Straftaten oder zu Vergleichen diene. Ohnehin besteht in Leipzig nicht die Gefahr, dass zu wenig über Linksextremismus geredet wird. Bereits vor dem jüngsten Vorfall hatte »Bild« berichtet, für November sei »eine Art Sicherheitsgipfel« in der Stadt anberaumt worden. Vorangegangen war ein »Sicherheitsgespräch« in Sachsens Staatskanzlei mit Regierungschef Michael Kretschmer, Innenminister Roland Wöller, Justizminister Sebastian Gemkow (alle CDU) sowie Polizei und Verfassungsschutz.
Dabei sei es vor allem um die »jüngsten linksextremen Gewaltexzesse« in Leipzig gegangen. Das Thema ist bei harten Ordnungspolitikern seit Jahren populär. Jetzt ist ihm noch mehr Aufmerksamkeit gewiss: Anfang 2020 steht die Neuwahl des Oberbürgermeisters an; zu den Bewerbern gehören Jung und Gemkow. Die Frage, wer einer realen oder auch nur gefühlten Gefährdung der öffentlichen Sicherheit am entschlossensten entgegen tritt, gilt als profilierungsträchtig.
Bemerkenswert ist in dem Konflikt auch das Agieren der Leipziger Polizei. Ihr Sprecher Andreas Loepki erklärte nach dem Angriff auf die Immobilienmaklerin, er erwarte von Nutzern des »Linxxnet«, eines linken Büros, das unter anderem von der in Connewitz direkt in den Landtag gewählten Abgeordneten Jule Nagel betrieben wird, eine »Distanzierung gegenüber diesen Linksextremisten«. In einem »Bild«-Artikel wurde das Zitat Loepkis sogar so wiedergegeben, dass dieser Abgrenzung und Verurteilung konkret vom Linxxnet und von Nagel verlange.
Das Büro erklärte nun, es sei eine »absolute Frechheit«, für alles in Haftung genommen zu werden, was »Leute im Namen einer heterogenen Linken tun«. Nagel kritisierte, die Polizei dürfe sich nicht als »moralische Instanz« aufführen. Zugleich mahnte sie zu »politischen Lösungen gegen teure Mieten und Neubauten und gegen Verdrängung«.
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