Fünf Minuten für eine Milliarde

Landtag setzt Haushaltsausschuss ein, um Kredit kurz vor der Schuldenbremse zu regeln

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu einer ultrakurzen Sitzung von knapp anderthalb Stunden kam der brandenburgische Landtag am Dienstag zusammen. Fünf Minuten waren dabei laut Tagesordnung dafür vorgesehen, den Hauptausschuss sowie den Haushalts- und Finanzausschuss einzusetzen.

Das ist notwendig, weil die neue Koalition aus SPD, CDU und Grünen beabsichtigt, sich kurz vor Inkrafttreten der bundesweiten Schuldenbremse am 1. Januar 2020 noch schnell eine Neuverschuldung von einer Milliarde Euro für die kommenden zehn Jahre zu genehmigen. Für die Kreditermächtigung in letzter Minute muss der Haushaltsausschuss zügig den Weg freimachen, während noch das alte rot-rote Kabinett im Amt ist. Es ist unklar, ob die geplante Neuverschuldung rechtssicher so schnell überhaupt zu schaffen ist.

Der Landtagsabgeordnete Ronny Kretschmer (LINKE) sieht die Pläne der neuen Koalition kritisch. Fragwürdig sind sie für ihn vor allem im Hinblick auf das bisherige Agieren der CDU-Fraktion. Diese hatte vor dem Landesverfassungsgericht Klage gegen den rot-roten Doppelhaushalt 2019/2020 eingereicht, weil dieser über die Landtagswahl im September 2019 hinaus finanzpolitische Festlegungen treffe. Finanzminister Christian Görke (LINKE) hatte dazu argumentiert, eine etwaige neue Koalition könne ja über einen Nachtragshaushalt andere Schwerpunkte setzen.

Ein solcher Nachtragshaushalt sei nun geplant - und außerdem die Aufnahme des Milliardenkredits, der mit einer Laufzeit von zehn Jahren sogar Auswirkungen auf die gesamte nächste Legislaturperiode habe, erinnerte Kretschmer. Nach seiner Ansicht sollte die CDU ihren »politischen Klamauk« beenden und die Klage vor dem Verfassungsgericht zurückziehen. Bislang lässt die CDU das Verfahren lediglich ruhen. Absurd ist nach Einschätzung von Kretschmer auch, dass SPD, CDU und Grüne keine grundsätzlichen Probleme wie die LINKE mit der Schuldenbremse haben, dass sie sich aber schnell noch eine Neuverschuldung gönnen wollen. Kretschmer rechnete mit seinen Genossen aus, dass die nun im Koalitionsvertrag niedergelegten Wünsche von SPD, CDU und Grünen mehr als zwei Milliarden Euro kosten würden. Die Koalitionspartner nannten demgegenüber für die kommenden fünf Jahre nur 600 Millionen Euro als reguläre zusätzliche Investi᠆tionen, plus 500 Millionen Euro aus dem auf zehn Jahre angelegten Milliardenkredit. Zusammen mit den bereits beabsichtigten Investitionen käme man auf eine Summe von 1,7 Milliarden Euro. Die LINKE vermutet hier plumpe Trickserei.

Bei der Landtagssitzung am Dienstag wurde auch versucht, einen noch offenen Posten im Präsidium zu besetzen. Dieser Posten steht der AfD zu. Die Besetzung scheiterte aber erwartungsgemäß, da die AfD drei Abgeordnete nominierte, bei denen vorher klar war, dass sie keine Mehrheit bekommen würden. Zunächst fiel Daniel Freiherr von Lützow mit 28 zu 53 Stimmen bei einer Enthaltung durch. Ihn hatte der Landtag bereits bei der ersten Sitzung nach der Landtagswahl zwei Mal durchfallen lassen. Auch bei der zweiten Sitzung fand er nun wieder keine Mehrheit. Abgelehnt wurden danach auch die Ersatzvorschläge Lena Duggen (27 zu 53 Stimmen bei zwei Enthaltungen) und Dennis Hohloch (28 zu 54 Stimmen). Die AfD will für die nächste Sitzung am 20. November neue Vorschläge einreichen.

Die LINKE werde niemanden von der AfD ins Präsidium wählen, betonte Linksfraktionschefin Kathrin Dannenberg. Hohloch warf sie vor, er habe bedauert, dass er nicht Seite an Seite mit Neonazis an einem Trauermarsch in Chemnitz teilnehmen konnte.

SPD-Fraktionschef Mike Bischoff bestritt nicht das Anrecht der AfD auf den Präsidiumsposten, unterstrich aber, dass die drei Vorgeschlagenen ungeeignet seien. Im Fall Lena Duggen begründete er dies mit ihrer früheren Mitgliedschaft in der islamfeindlichen Partei »Die Freiheit«, die vom bayerischen Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft worden sei. Auch habe Duggen Politiker anderer Parteien als »lichtscheues Gesindel« beschimpft. Freiherr von Lützow habe über das »Ausschalten« des politischen Gegners schwadroniert.

Als Landtagsvizepräsident bereits ins Präsidium gewählt ist von der AfD Andreas Galau.

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