Kein Platz »Für Menschenrechte«

Der russische Staat verschärft die Repression gegen Nichtregierungsorganisationen

  • Ute Weinmann, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Menschenrechtsorganisationen haben in Russland einen schweren Stand. Dass der Staat ein komplettes Verbot verhängt, wie vergangene Woche gegen die Bewegung »Für Menschenrechte«, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt dennoch eine Ausnahme. Das Oberste Gericht verfügte über die Schließung der seit über zwanzig Jahren aktiven Organisation mit Sitz in Moskau, deren Arbeit ein breites thematisches Spektrum umfasst: von der Rechtshilfe für Häftlinge, Rentner und Geringverdiener über die Unterstützung für unabhängige Medien bis hin zum Monitoring von Gerichtsprozessen als unabhängiges Kontrollinstrument der russischen Justiz. Bis zum Sommer erhielt »Für Menschenrechte« über acht Jahre lang staatliche Mittel aus einem speziellen Fördertopf für nichtkommerzielle Einrichtungen. Dann folgte plötzlich eine Absage. Und nun die Auflösung aufgrund von Verstößen gegen das Gesetz über sogenannte ausländische Agenten und Formfehler in den Vereinsunterlagen.

Wachsender Druck auf prominente Menschenrechtsaktivisten

Ende vergangenen Jahres musste Lew Ponomarjow, Gründer und Leiter der Organisation, eine Haftstrafe von 25 Tagen absitzen – auch dies ein Novum. Menschenrechtler von seinem Rang werden so nicht behandelt. Aber mit seiner lautstarken Kritik an der Strafverfolgung junger Antifaschisten aus Pensa und St. Petersburg wegen vermeintlichem Terrorismus und dem nicht weniger skandalösen Prozess gegen eine Gruppe junger Rechter mit dem Namen »Neue Herrlichkeit«, die ein Agent mit allen nötigen Beweismitteln – einschließlich einer Satzung – ausgestattet hatte, ging er wohl zu weit. Einst war der heute 78-jährige Ponomarjow Vertrauter des Atomphysikers und Dissidenten Andrej Sacharow.

»Mir war klar, dass ich damit nicht durchkomme, aber ich hätte nicht gedacht, dass es gleich so kommt«, resümiert Ponomarjow. Konsequent und Schritt für Schritt habe man versucht, ihn an den Rand zu drängen. Die Behörden forderten ihn zu Änderungen in den Vereinsunterlagen auf. Der Eintrag durfte nur online erfolgen, doch die entsprechende Webseite war offenbar so programmiert, dass der Versuch scheitern musste.

Ponomarjow ist überzeugt, dass die Liquidierung seines Vereins auf einer Entscheidung der politischen Führung basiert, weil er die eklatant hohen Haftstrafen von bis zu 24 Jahren gegen Angehörige der auch in Deutschland verbotenen islamistischen Hizb ut-Tahrir anprangerte. Zumindest werde er jetzt nicht als Terroristensympathisant abgestempelt. »Wäre ich eine weniger bekannte Person, könnte ich zu einer Haftstrafe verurteilt werden.« Aufhören will er nicht, stattdessen plant er die Gründung einer alternativen Struktur.

Inhaftierter Antifa im Hungerstreik

Doch nur wenige Aktivisten in Russland schützt ihre Bekanntheit vor Festnahmen. Wiktor Filinkow. erreichte erst dann einen gewissen Bekanntheitsgrad, nachdem er im Januar 2018 gefoltert worden war und Ponomarjow, neben weiteren Menschenrechtlern, sich für ihn eingesetzt hatte. Seitdem sitzt der gesundheitlich angeschlagene 25-jährige Antifaschist in Untersuchungshaft.

Filinkow wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, dem sogenannten Netzwerk. Ihm drohen bis zu zehn Jahren Haft. Derzeit wartet er auf die Wiederaufnahme der im Sommer unterbrochenen Gerichtsverhandlung. Medizinische Versorgung wurde ihm verweigert, vor einer Woche trat er schließlich in den Hungerstreik und befindet sich nun im Krankenhaus. Forderungen stellt er keine und auf einen fairen Prozess zu hoffen, stand ohnehin außer Frage.

Indes wollen die Eltern, und insbesondere die Mütter vieler politischer Gefangener ihre Hoffnung nicht aufgeben. Sie schlossen sich zusammen und protestierten am vergangenen Montag, dem »Tag der Volkseinheit«, vor der Präsidialverwaltung.

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