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Der Traum vom Olympiastart ist noch nicht vorbei
Weitspringer Markus Rehm überlegt, ob er vor Tokio 2020 erneut darum kämpft, mit seiner Prothese gegen Nichtbehinderte springen zu dürfen
Der jahrelange Kampf gegen Windmühlen hat viel Energie gekostet und ihm weltweite Aufmerksamkeit, aber auch Argwohn und Kritik beschert. Dass Markus Rehm derzeit bei der Para-WM der Leichtathleten in Dubai in sich ruht, dass er auffallend locker und gelöst wirkt, liegt sicher auch daran, dass das Thema Doppelstart zumindest öffentlich gerade erst einmal ruht. Rehm war zum Politikum geworden, zum Kämpfer einer ganzen Bewegung, in der er aber auch viele Kritiker hatte. Ob er den Kampf vor den Olympischen Spielen 2020 wieder führen wird, wägt Rehm deshalb sorgfältig ab.
»Ich bin noch am Überlegen«, sagt der 31-Jährige. »Was ich auf jeden Fall vermeiden möchte, ist, dass diese Diskussion alles überstrahlt.« Nachdem der Südafrikaner Oscar Pistorius 2012 in London als erster beidseitig Amputierter über 400 Meter erst bei den Olympischen und wenige Wochen danach auch bei den Paralympischen Spielen an den Start gegangen war, hatte sich der Weitsprungweltrekordler Rehm vergeblich um einen Doppelstart 2016 in Rio de Janeiro bemüht. »Es war schon hart«, sagt er heute: »Es gab Monate, da saß ich zu Hause und habe mich gefragt, was ich falsch mache.«
Sollte er es für Tokio wieder probieren, wäre die Aussicht auf Erfolg allerdings kaum größer als vor drei Jahren. Laut einer Studie ist nicht zu klären, ob seine Prothese im komplexen Zusammenspiel von Anlauf und Absprung im Weitsprung gegenüber uneingeschränkten Fußgängern ein Vor- oder Nachteil ist.
2014 wurde der dreimalige Paralympics-Sieger bei den Nichtbehinderten deutscher Meister. Manche Konkurrenten hatten seine Teilnahme kritisiert, seitdem startet er nur noch außer Konkurrenz. Das würde ihm für Olympia mittlerweile auch ausreichen. Die Skepsis unter den Kollegen bei den nationalen Meisterschaften sei gesunken, sagt er. »Von daher habe ich schon einiges erreicht dadurch, dass ich so penetrant dran geblieben bin.«
Sein Kampf wurde aber nicht von jedem Para-Athleten unterstützt. »Einige warfen mir vor, ich würde nur auf mich selbst schauen«, erzählt er: »Natürlich profitiere ich davon, aber ich mache auch viel im Hintergrund und hätte manches anders gemacht, wenn ich es nur für mich getan hätte.« Außerdem sei ein möglicher Start bei Olympia für ihn keineswegs der wichtigere. »Ich habe immer gesagt, dass ich in erster Linie paralympischer Athlet bin.«
Auch die Skepsis gegenüber seinen Prothesen ärgert ihn. »Ich bin ja nicht vom Boot gesprungen und habe mir die Beine abfahren lassen, damit ich irgendwann weiter springen kann«, sagt Rehm, der mit 14 bei einem Wakeboard-Unfall sein rechtes Bein verlor. »Wer mich kennt, weiß, dass ich mehr am Trainieren als am Schrauben bin«, versichert er. »Natürlich mache ich die Prothese so gut wie möglich. Aber wenn die Leute denken, dass ich nur wegen der Prothese so weit springe, dann sage ich als Orthopädie-Techniker: Danke für’s Kompliment! Und auch als Sportler muss ich meinen Job verdammt gut gemacht haben.«
Im Para-Sport ist er aktuell noch ohne Konkurrenz. Doch die holt langsam auf. Allen voran sein Leverkusener Vereinskollege Felix Streng, der ebenfalls schon an Wettbewerben der Nichtbehinderten teilgenommen hat. »Er hat großes Talent«, sagt Rehm.
Streng ist ehrgeizig. »Mir fehlen noch Konstanz und Rhythmus. Aber im Training bin ich schon deutlich über acht Meter gesprungen«, sagt der 24-Jährige. In Sachen Olympiastart gehört vertritt er eine andere Meinung als Rehm. »Ich finde, dass das nicht zur Debatte stehen sollte«, sagt er. »Dass Markus 8,48 Meter springt, ist Wahnsinn und absoluter Hochleistungssport. Aber man kann die Weiten nicht miteinander vergleichen. Bei uns gehört die Prothese dazu wie das Auto zur Formel 1.« Gemeinsam bei Meetings zu starten, sei »etwas anderes, weil es in einem anderen Rahmen stattfindet«. dpa/nd
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