Widerstand unerwünscht - Kurdische Feministin angeklagt

Yildiz Aktaş steht in Berlin vor Gericht, weil sie die PKK unterstützt haben soll. An Straftaten der kurdischen Arbeiterpartei war sie allerdings nie beteiligt.

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 6 Min.

Es war die Solidarität anderer Frauen, die Yildiz Aktaş überleben ließ. In einer Welt, die von staatlicher Gewalt und Folter, Kriminalisierung als Kurdin und patriarchaler Unterdrückung als Frau geprägt ist. »Ich würde heute nicht vor Ihnen stehen, wenn ich nicht mein Leben lang widerständig gewesen wäre«, erklärt die 51-Jährige zum dritten Prozesstag am 1. November vor dem Kammergericht in Berlin-Schöneberg.

Seit dem 25. Oktober muss sich die kurdische Feministin vor dem Berliner Gericht verantworten. Nach Paragraph 129b des deutschen Strafgesetzbuches wird ihr vorgeworfen, sich in den Jahren 2013 und 2014 unter anderem in Berlin für die PKK engagiert zu haben. »Paragraph 129b knüpft an Straftaten im Ausland an. Bei der PKK geht es da beispielsweise um Angriffe auf türkische Soldaten«, erklärt Aktaş‘ Anwalt Lukas Theune im Gespräch mit »nd«. Bei dem Prozess gegen Yildiz Aktaş stünden allerdings Aktivitäten im Mittelpunkt, die in der BRD eigentlich vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien: etwa die Teilnahme an einer Demonstration oder das Malen von Transparenten. »Nichts davon ist in Deutschland verboten«, so Theune. Doch in der Logik des Paragraphen 129b kann auch aus der Teilnahme an einer Demonstration die Unterstützung einer »terroristischen Vereinigung im Ausland« werden: In dem Verfahren geht es letztlich also nicht darum, ob Aktaş selbst Straftaten der PKK verübt hat, sondern nur darum, ob sie die kurdische Arbeiterpartei ideologisch unterstützt. Bei einem Schuldspruch droht ihr dennoch eine langjährige Haftstrafe. Acht kurdische Aktivist*innen befinden sich laut dem Infodienst Azadi, der über politische Gefangene nicht-deutscher Herkunft informiert, nach einer Verurteilung durch Paragraph 129b derzeit in deutschen Haftanstalten. Sollte Aktaş verurteilt werden, wäre sie die erste Frau.

Das wollen die Aktivist*innen der Solidaritätskampagne »Freiheit für Yildiz – Defend Feminism« um jeden Preis verhindern. Mit bunten Transparenten und Bannern stehen sie bei jedem Prozesstag vor dem Gerichtsgebäude. Sie wollen die Ziele der kurdischen Bewegung, für die auch Aktaş kämpft und nun verurteilt werden soll, auch außerhalb des Verhandlungssaals bekannt machen: Feminismus, Selbstbestimmung und Ökologie. »Daneben spielt auch die persönliche Geschichte der Angeklagten im Prozess eine wichtige Rolle«, erklärt eine Aktivistin der Solidaritätsgruppe, die sich Lola nennt und ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen will, gegenüber »nd«.

Angeklagte war mehrmals Folteropfer

Aktaş, die solange der Prozess noch läuft lieber nicht mit der Presse sprechen möchte, wurde bereits 1981 im Alter von nur zwölf Jahren als jüngste weibliche Gefangene im Gefängnis von Diyarbakir inhaftiert und dort schwer misshandelt. Später engagierte sie sich in der prokurdischen »Partei des Friedens und der Demokratie« (DBP) für Frauenrechte und Feminismus. Sie wurde deswegen immer wieder inhaftiert. Bis heute leidet sie unter erheblichen gesundheitlichen Problemen durch die erlebte Folter und Gewalt.

Dennoch zeigte sie im Jahr 2011, zusammen mit anderen Überlebenden aus Diyarbakir, die damals für das Betreiben des Gefängnisses Verantwortlichen an. »Ihr ganzes Leben ist geprägt vom Kampf gegen Gewalt an Frauen und dem Einsatz für deren Rechte«, erklärt Aktivistin Lola.

Als Aktaş 2012 eine erneute Inhaftierung in der Türkei drohte, floh sie nach Deutschland und erhielt politisches Asyl. »Es ist wirklich grotesk, dass der deutsche Staat sie nun für die gleichen politischen Tätigkeiten verfolgt, für die er ihr 2012 politisches Asyl gewährt hat«, sagt Lola. Für die junge Aktivistin ist das Strafverfahren auch ein Angriff auf die internationale feministische Bewegung, denn »die kurdische Frauenbewegung bietet Feminist*innen weltweit Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit.« Dem stimmt auch Theune zu: »Das scheint dem deutschen Staat nicht zu gefallen.« Selbst aus der Telefonüberwachung ergebe sich nicht, dass die Angeklagte PKK-Mitglied war. »Wohl aber, dass sie sich für Feminismus und kurdische Belange im Allgemeinen eingesetzt hat«, sagt der Anwalt. So habe Aktaş beispielsweise gegen die Ermordung dreier kurdischer Frauen in Paris durch den türkischen Geheimdienst protestiert. »Sich gegen Frauenmorde einzusetzen, das kann man aber auch als Feministin. Dafür muss man kein PKK-Mitglied sein«, stellt Theune fest.

Kriminalisierung der kurdischen Bewegung trotz türkischen Angriffskrieges

Auch die Tatsache, dass das Verfahren ausgerechnet während des türkischen Angriffskrieges gegen Nordsyrien stattfindet, kritisiert die Solidaritätsgruppe auf Schärfste: »Für ihren Einsatz gegen den sogenannten «Islamischen Staat» hatten kurdische Kämpfer*innen auch in Deutschland viel Anerkennung erhalten«, heißt es in einer Stellungnahme. Bereits 2018 hatte es vor diesem Hintergrund eine öffentliche Debatte über die Sinnhaftigkeit des PKK-Verbots in Deutschland gegeben. Kurdische Aktivist*innen in Deutschland werden dennoch weiterhin strafrechtlich verfolgt. Die Verfolgung wurde in den vergangenen Monaten sogar noch ausgeweitet, so die Erklärung. »Die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung ist im Zuge des türkischen Angriffskrieges scheinheilig«, meint auch Theune. »Die SPD hat sich solidarisch gegen Erdogans Angriffskrieg gezeigt, gleichzeitig aber auf EU-Ebene ein Waffenembargo verhindert«, so der Anwalt.

Wie scheinheilig das Verfahren tatsächlich ist, offenbart sich auch während der Verhandlung selbst. Etwa als die Staatsanwaltschaft ihre Beweisführung auf Berichte über PKK-Anschläge in türkischen Medien stützt. »Wie ist es denn mit der Pressefreiheit in der Türkei bestellt?«, fragt Theune und sorgt so für einen Moment betretenen Schweigens im Gerichtssaal.

Dass es überhaupt zum Verfahren kommen konnte, liegt letztlich nur daran, dass die Bundesregierung eine sogenannte Verfolgungsermächtigung erteilt hat. Denn im Fall des Paragraphen 129b ist eine Strafverfolgung nur dann zulässig, wenn das Bundesjustizministerium dem ausdrücklich zustimmt. Bei seiner Entscheidung muss das Ministerium dann in Betracht ziehen, »ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung gerichtet sind.« Der Prozess fußt somit auf der Annahme, dass es sich bei der Türkei um einen » die Würde des Menschen achtenden« Staat handelt. Das wiederum stellen Theune und seine Kollegin Antonia von der Behrens in Frage. Sie haben deshalb einen Antrag auf sofortige Rücknahme der Verfolgungsermächtigung gestellt.

Nicht verwunderlich ist, dass die BRD als kapitalistisch organisierter Staat auch ein Eigeninteresse daran hat, die kurdische Bewegung zu kriminalisieren. Schließlich formuliert diese eine emanzipatorische Kapitalismuskritik und zeigt auch für die Gesellschaft in Deutschland Alternativen auf. »Damit die Bundesregierung ihren Repressionskurs gegen die kurdische Bewegungen einstellt, bedarf es öffentlichen Drucks, so zum Beispiel durch Solidarität mit Yildiz Aktaş«, sagt Lola.

Der Prozess gegen Aktaş wird an diesem Freitag fortgesetzt. Die Unterstützungsgruppe ruft deshalb zu einer Kundgebung um 8.00 Uhr vor dem Kammergericht in Berlin-Schöneberg und zur anschließenden solidarischen Prozessbeobachtung auf.

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