Werbung
  • Politik
  • Entzug der Gemeinnützigkeit

»Politisch motiviert«

Der VVN-BdA, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, wurde die Gemeinnützigkeit entzogen. Politiker sind schockiert.

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei fast jeder Gedenkveranstaltung zur Shoah sind sie vor Ort, wenn sie diese nicht sogar mitorganisiert haben: Die VVN-BdA, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Doch das ganze könnte in Zukunft deutlich eingeschränkter als bisher möglich sein, wenn überhaupt noch. Das Berliner Finanzamt für Körperschaften I hat nach Angaben des Verbands die Gemeinnützigkeit der Organisation rückwirkend für die vergangenen drei Jahre aberkannt. Ein entsprechendes Schreiben sei beim Verband bereits Anfang November eingegangen, sagte Bundesgeschäfsführer Thomas Willms »neues deutschland«. Den Vorgang hat das Bündnis aber erst an diesem Freitag öffentlich gemacht. Das Finanzamt konnte »nd« auf Anfrage zu dem Fall nichts sagen. Die Finanzverwaltung dürfe sich grundsätzlich nicht zu Einzelfällen äußern.

Das ganze sei ein »schwerer Angriff auf die VVN-BdA«, schreibt der Bundesverband der föderal organisierten Vereinigung der Antifaschist*innen in einer Pressemitteilung. Bundesgeschäftsführer Willms unterstreicht das: »Es wird schwerwiegende Auswirkungen auf unsere Arbeit haben«, so Willms. Damit sei die VVN-BdA in ihrer Existenz bedroht, heißt es in der Mitteilung des Verbands.

Der Bundesverband sieht sich enormen Steuernachforderungen für die vergangenen Jahre ausgesetzt. Bis Dezember müsse eine fünfstellige Summe an das Finanzamt nachgezahlt werden. Und diese Summe beträfe nur die Jahre 2016 und 2017. Für 2018 stünde der Steuerbescheid noch aus, so Willms. Zudem drohen dem Verein deutliche Einbußen bei den Zuwendungen. Zum einen, weil Spenden nicht mehr steuerlich absetzbar sind. »Außerdem können gemeinnützige Vereine nur an andere gemeinnützige Vereine spenden, das entfällt nun«, sagte Wille. Man werde jetzt »behandelt wie eine Firma.«

Ursache für die Entziehung der Gemeinnützigkeit sei so VVN-BdA, dass die Landesvereinigung Bayern der VVN-BdA im bayrischen Verfassungsschutzbericht als »linksextremistisch beeinflusst« dargestellt wurde. Finanzämter sind gehalten, extremistischen Verbänden die Gemeinnützigkeit abzuerkennen.

Die VVN-BdA weist den Vorwurf des Linksextremismus entschieden zurück. Das Berliner Finanzamt mache sich »die haltlosen Unterstellungen« der bayrischen Behörde ungeprüft zu eigen, betont die Vereinigung. Auch in Nordrhein-Westfalen sei der dortige Landesverband der VVN-BdA hinsichtlich der Gemeinnützigkeit überprüft worden. Dort hatte das Finanzamt am Ende die Gemeinnützigkeit bestätigt.

Dass die VVN-BdA nicht linksextrem ist, attestieren ihr sogar SPD-Politiker. In Bayern setzt sich der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter bereits seit Jahren gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht ein. Er sehe die Erwähnung als »politisch motiviert an«, sagte Ritter »nd«. Er halte die VVN-BdA »weder für extremistisch noch extremistisch beeinflusst«. »Was ich immer wieder sehe: VVN-BdA ist ein wichtiger Brückenbauer und Moderator in Bündnissen.« Die Vereinigung habe nach der Befreiung überhaupt erst dafür gesorgt, dass viele Orte, die an den Naziterror und das Leid der Opfer erinnern erhalten blieben und dort Gedenkstätten entstehen konnten, so Ritter.

Finanzamt killt Antifa
Robert D. Meyer fordert, dem Bund der Antifaschisten sofort die Gemeinnützigkeit zurückzugeben

Auch die Reaktionen aus anderen Teilen der Politik fallen entschieden aus: »Der VVN leistet mehr für den Schutz unserer Verfassung als die Behörde, die den Titel Verfassungsschutz trägt. Antifaschismus ist wirklicher Schutz der Demokratie«, sagte LINKEN-Chefin Katja Kipping »nd«. Ihre Parteikollegin Martina Renner, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion im Bundestag, sagte: »Es ist ein Skandal, dass eine so zwielichtige Institution wie der Inlandsgeheimdienst über den demokratischen Charakter und in Folge über den Fortbestand von Organisationen wie der VVN-BdA entscheiden darf.«

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring hatte bereits vor einiger Zeit auf den drohenden Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA gewarnt. Er erklärte gegenüber »nd«: »Seit Jahrzehnten ist die VVN-BdA eine Bündnispartnerin im Einsatz für Frieden, gegen Faschismus und Krieg. Diese Ziele dienen eindeutig dem Gemeinwohl und müssen daher steuerlich begünstigt werden. Denn nur so bleibt die Arbeit solch wichtiger zivilgesellschaftlicher Vereine auch in Zukunft möglich.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -