• Berlin
  • »Demokratie leben!«

Notfalltopf für Projekte ist schwer begehrt

Mit einer Million Euro will Rot-Rot-Grün viele Initiativen auffangen, die bislang vom Bund finanziert wurden

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Für Träger von sozialen Projekten ist eine ungewisse Zukunft an sich nichts Ungewöhnliches. Häufig werden Projektanträge kurzfristig beschieden. »Das gehört zum täglichen Geschäft«, sagt Anna Friedrich von Amaro Drom, einem Verein von Roma und Nicht-Roma. Seit 2015 leitete Friedrich das Projekt »Dikhen amen!«, in dem jugendliche Sinti*zze und Rom*nja zu Workshop-Teamern ausgebildet wurden, auch in Berlin. Da die Förderung des Projekts, wie berichtet, über das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Förderprogramm »Demokratie leben!« nun auslief, wurde »Dikhen amen! Seht uns!« abgewickelt. Viele weitere zivilgesellschaftliche Projekte in der Hauptstadt sind ebenfalls von den Umstrukturierungen und Kürzungen durch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betroffen.

Doch seit dieser Woche besteht zumindest bei vielen in Berlin ansässigen Initiativen wieder Hoffnung, dass es doch noch eine Zukunft für die verschiedenen zivilgesellschaftlichen Projekte geben könnte, von denen sich viele gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus richten. Nach den abschließenden Haushaltsgesprächen hatten die Spitzen der rot-rot-grünen Koalition bei einer Pressekonferenz verkündet, die Ausfälle aus dem Bundesprogramm auffangen zu wollen. »Wenn die Bundesregierung glaubt, bei Programmen gegen Rechtsextremismus zu kürzen, sieht sich das Land Berlin in der Pflicht, dies zu kompensieren«, sagte Linksfraktionschef Udo Wolf. Seine Kollegin von den Grünen, Antje Kapek, sprach in diesem Zusammenhang von einem »Notfalltopf« Berlins, der für den Doppelhaushalt 2020/2021 wohl mit einer Million Euro ausgestattet werden soll. »Viele Projekte würden nicht überleben, wenn wir die Finanzierung der Initiativen nicht übernehmen würden«, so Kapek.

Aber welche Projekte können sich tatsächlich Hoffnung machen? »Bei uns hat sich bisher niemand gemeldet«, sagt Susanna Harms vom Verein BildungsBausteine, der sich schwerpunktmäßig mit Antisemitismus und Rassismus beschäftigt. Der Verein hat sein Büro zwar in Berlin-Kreuzberg, machte aber zuletzt vor allem Projektarbeit in Nordrhein-Westfalen. Mit dem neuen Projektantrag wollte der Verein aber auch in Berlin wieder stärker tätig werden. Harms vermutet allerdings, dass von den Notfallgeldern nur jene Projekte profitieren könnten, die bereits früher durch das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus kofinanziert wurden. Denn auch das gehört manchmal zu den Bedingungen solcher projektfinanzierten Initiativen dazu, dass die Gelder aus verschiedenen Töpfen des Bundes und der Bundesländer fließen.

Aufklären könnte die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung von Senator Dirk Behrendt (Grüne). Nur: Offiziell liegt dort noch keine Information zur Vereinbarung der Koalitionsfraktionen vor. »Man kann deshalb noch nicht festlegen, wie sich die Gelder verteilen werden«, sagt Sebastian Brux, Pressesprecher des Antidiskriminierungssenators. Dass alle Projekte mit Berlinbezug aufgefangen werden, dürfte kompliziert werden, heißt es. »Es gibt den Willen und die Bereitschaft, möglichst viel aufzufangen«, so der Sprecher.

Prioritär seien die Projekte, die vom Land Berlin kofinanziert werden, bestätigt unterdessen Steffen Zillich, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Der Haushälter war bei den abschließenden Gesprächen der Koalition bis zum frühen Freitagmorgen mit dabei. Dass zu wenig Geld bereit stehe, sieht Zillich nicht so. »Der Topf ist nicht knapp ausgestattet«, sagt er. Außerdem müsse man darüber hinaus schauen, was die Verwaltung weiter ausfinanzieren könne.

Die Initiativen werden sich bezüglich ihrer finanziellen Zukunft bis zur kommenden Woche weiter gedulden müssen. Dann wisse man mehr, heißt es aus der Senatsverwaltung von Dirk Behrendt.

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