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Stadt der kranken Bäume
Berliner Waldzustandsbericht 2019 belegt harte Folgen der aufeinanderfolgenden Dürrejahre
Den Berliner Wäldern geht es nicht gut. Nur jeder zehnte Baum zeigt zum Ende der Vegetationsperiode, nach zwei aufeinanderfolgenden extrem trockenen und heißen Jahren, keine Schäden. Der Gesundheitszustand der Berliner Waldbäume sei so schlecht wie noch nie, seit Anfang der 1990er Jahre erstmals mit amtlichen Erhebungen begonnen wurde, teilte Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) am Mittwoch bei der Vorstellung des Waldzustandsberichts 2019 mit.
»Diese Bestandsaufnahme ist alarmierend«, sagte Günther. »Die Folgen der Erderhitzung zeigen sich in diesem Jahr gerade in Berlins Wäldern dramatisch.« Es bedürfe deutlich größerer Anstrengungen, um den Berliner Wald dauerhaft zu erhalten und seinen großen Wert für die Menschen und das Stadtklima zu bewahren - »als Ort für Erholung, Gesundheitsförderung und für die Artenvielfalt, aber auch als Frischluftversorger, Klimakühler und CO2-Speicher«.
Rund 16 000 Hektar der Fläche Berlins, das sind 18 Prozent, sind mit Wäldern bedeckt.
Die Waldzustandsentwicklung im Land wird seit 1991 in einem einheitlichen Stichproben-Netz beobachtet. Seit 2001 wird der Kronenzustand an 41 Standorten mittels Prüfung von knapp 1000 Waldbäumen festgestellt. Diese Erhebung erfolgt jeweils im Sommer bis einschließlich August.
Über ein Drittel (36 Prozent) aller Probebäume der Waldzustandserhebung im Land Berlin zeigen 2019 deutliche Schäden. 2018 waren es 15 Prozent. Die derart geschädigte Waldfläche hat sich damit mehr als verdoppelt.
Lediglich acht Prozent der Waldfläche weisen 2019 keine sichtbaren Schäden auf. Demnach ist nur knapp jeder zehnte Waldbaum in Berlin gesund.
Die Kiefer ist mit 60 Prozent Anteil auch in Berlin der häufigste Waldbaum. Ganze sieben Prozent der Kiefern sind hier ohne Schäden (Vorjahr: 24 Prozent), 23 Prozent dagegen deutlich geschädigt (2018: sechs Prozent).
Auch der Zustand der Eichen (21 Prozent Anteil) hat sich stark verschlechtert: Nur noch fünf Prozent sind ohne Schäden (Vorjahr: 22 Prozent), dagegen zeigen 59 Prozent deutliche Schäden (2018: 39 Prozent). tm
Schon vor einem Jahr hatten Berlins Forstexperten vorausgesagt, dass sich die wahren Auswirkungen des Hitzesommers von 2018 wegen der zu erwartenden Spätfolgen erst im Folgejahr zeigen würden. Der Waldzustandsbericht bestätigte sie. Dass sich 2019 als Dürrejahr direkt anschließen würde, war indes nicht vorhersehbar.
Elmar Lakenberg, Leiter der Berliner Forsten, macht Sorgen, wie schnell die deutlichen Schäden im Vergleich zu 2018 zugenommen haben. »Das war ein Absturz im zweiten Dürrejahr«, sagte Lakenberg. »Seit Beginn der Zeitreihen-Messung im Jahr 1950 hatten wir keine schlechtere Wasserversorgung im Boden.«
Überraschenderweise hätten zudem die Eichen, einer der Hoffnungsträger des Berliner Waldumbauprogramms, heftiger auf die Klimaextreme reagiert als die hierzulande dominierenden Kiefern, so der Forstexperte. Jedoch erholten sich Laubbäume gewöhnlich auch schneller.
Gerade viele der Eichen bekamen, obwohl sie bis in eine Tiefe von 15 Metern wurzeln, bis zum Ende des Sommers zu wenig Wasser und reagierten mit Laub- und Astabwurf. Da nach dem Frühjahr die Niederschläge fast ausblieben, sei das Erdreich extrem ausgetrocknet gewesen. Rund 60 Prozent der Eichen hätten hohe Schadstufen. Die Kiefer, die jährlich nur ein Drittel ihrer Nadeln erneuert, hat es naturgemäß leichter. Doch auch jede vierte Kiefer ist schwer angeschlagen.
Lakenberg zufolge haben zwei Prozent der Berliner Waldbäume die Trockenheit nicht überstanden. »Das ist die höchste Absterberate bisher, doch das ist noch nicht dramatisch«, betonte er. Inwieweit sich die Wälder wieder regenerieren können, hänge vom Wetter ab. Gelte der Hundertjährige Kalender noch, könne man mit einem kalten Winter und einem feuchten Frühjahr rechnen.
Die Senatorin kündigte ein ganzes Maßnahmenpaket an, um den Wäldern zu helfen. So werde man das Waldumbauprogramm intensivieren. Bis Ende Herbst würden 335 000 neue Laubbäume gepflanzt, 85 000 mehr als sonst im Jahresdurchschnitt. Das entspreche etwa einem Drittel des Gesamtbestandes, wie Elmar Kilz, Leiter des Forstamtes Grunewald, ergänzte. Bei der Pflanzung setze man auf klimaerprobte heimische Baumarten wie Eichen, Linden sowie Laubgehölze wie Feldahorn und Haselnuss. Ziel sind vielfältige, naturnahe und laubholzreiche Mischwälder, die man ökologisch bewirtschaften wolle. 32 Millionen Euro stehen 2020/2021 für Berlins Wälder zur Verfügung, fünf Millionen Euro mehr als bisher. Die Forsten erhielten 16 neue Mitarbeiter- sowie vier Azubi-Stellen, sagte Günther. Zudem werde man die Feuerwehr in die Lage versetzen, Waldbrände künftig effektiver zu bekämpfen.
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